Nun gut, ich muss unumwunden zugeben, dass es schon ein wenig abgedroschen ist, wenn man von den Drifterqualitäten des Toyota GT86 schwärmt. Würde ich anders sein wollen, gegen den Strom schwimmen, müsste ich euch jetzt erzählen, wie ich während des Tests Einkaufstaschen im japanischen Sportcoupé verstaut habe oder morgens auf den bequemen Sitzen zur Arbeit gefahren bin. Mache ich auch. Mehr oder weniger. Aber nur um euch damit aufzuzeigen, warum ihr einen GT86 braucht: weil ihr sonst ganz viele tolle Chancen zum Querfahren im Alltag verpasst. Zum Beispiel nach dem Verstauen der Einkaufstaschen. Oder auf dem Weg zur Arbeit.

Toyota GT86

Nein, wir brauchen gar nicht groß um den heißen Brei herumzureden: der Toyota GT86 ist ein echtes Spaßgerät. Das waren auch die hochfliegenden Hoffnungen und Träume aller Enthusiasten (mich eingeschlossen) und nichts anderes berichten Presse, Freunde und andere über den flachen Flitzer. Es gibt also kaum etwas, das ich euch nun sagen könnte, das nicht ohnehin bereits gesagt wurde. Zum Beispiel, dass sich alles um die Zahl 86 dreht. Das quadratische Verhältnis etwa von Bohrung und Hub. 86 mm. In beide Richtungen. Wie, wisst ihr schon? Ok, ich hab noch einen: Durchmesser der Auspuffrohre? Ratet mal. Genau, 86 mm! Achso, wusstet ihr auch schon? Gut, ich kann euch offensichtlich nichts neues mehr erzählen, ich mache es aber trotzdem. Denn die Worte eines frisch Verliebten sind einfach wohlklingend, erfüllt voller Liebe eben – auch wenn uns das Gesagte eigentlich ohnehin schon klar ist. Natürlich wissen wir alle, dass Gabriela Isler eine wunderschöne Frau ist (sorry, ich musste auch eben erst „schönste Frau der Welt“ googeln) und klar wissen wir alle, dass Miley Cyrus einen an der Waffel hat. Trotzdem macht es irgendwie Spaß, sich die Meinung anderer hierüber anzuhören.

Toyota GT86

Vielleicht fange ich also gar nicht erst mit dem an, wovon sowieso jeder weiß, dass der GT86 das gut kann. Vielleicht fange ich gar nicht mit meiner Geschichte an, wie ich auf dem Weg zur Arbeit quer vor eine Polizeistreife auf eine Hauptstraße einbiege, sondern mit dem Kofferraum. Der ist leider nicht klein genug, um 2 Einkaufstaschen sicher zu verkeilen und damit gegen unerwünschtes Ausleeren während des Drifts Einparkens zu sichern. Irgendwas ist ja immer. Dafür lockt der Innenraum. Nur nicht mit modernem, edlem Design. Nein, wer sich einmal im GT86 einfindet fühlt sich sofort auf einem anderen Stern. Gefühle überkommen einen, die denen erschreckend ähnlich sind, welche einen erfüllen, wenn man im Radio „Wonderful Days“ von Charly Lownoise hört. Man weiß, so richtig chic ist das eigentlich nicht, es gehört nicht so ganz in unsere Zeit, eigentlich ist es auch ein wenig trashig. Aber genau deshalb beginnt man, in wohligen Erinnerungen zu schwelgen und verfällt gänzlich dem Charme, den dieses etwas rustikale Interieur versprüht. Es passt einfach. Es hilft, sich nicht mit unnötigen Details aufzuhalten, sondern ganz dem hingezogen sein, worauf es in diesem Auto ankommt, dem reinen Fahrspaß. Die flachen Tastschalter beispielsweise haben ihren ganz eigenen Reiz. „Zündung, an. Benzinpumpe, an.“ – es erinnert an das Startprozedere eines Rennwagens – auch wenn man eigentlich gerade die Heckscheibenheizung eingeschaltet hat.

Toyota GT86

 

Der Tisch voll mit Notizzetteln, der Desktop zeigt Texte und Bildbearbeitungsprogramme die beide bearbeitet wollen. Ein Windhauch. Unter einem Notizzettel blitzt das Toyota-Emblem des Schlüsselanhängers hervor. Schon ist es um dich passiert. Du willst es! Vergiss die Arbeit. Gönn dir etwas, nein, tu es einfach.

Fabian Meßner, autophorie.de

Viel mehr gibt es im Innenraum auch schon nicht mehr zu entdecken. Die eher als „schlecht“ – ja, ich meine wirklich schlecht und nicht schlicht – zu bezeichnende Radio/Navi-Kombi ist nicht der Rede wert, im Gegensatz zu den gut konturierten Sitzen. Die sind zwar tendenziell etwas zu klein geraten, bieten aber nicht zuletzt auch dank ihres (optionalen) Alcantara-Bezugs einen sehr guten Seitenhalt und die Kopfstützen sind, das nur so am Rande, angenehm weich gepolstert. Alles weitere was man über den Innenraum wissen muss: ein sportlich-schlankes Lederlenkrad ohne unnötige Knöpfe mit deren Hilfe man während der Kurvenhatz mit dem Handballen ungewollt die Freisprecheinrichtung startet, ein knackiger Schalthebel der mit einem natürlich knochigen Gefühl durch die kurzen Schaltgassen eine Auswahl der 6 zur Verfügung stehenden Gänge ermöglicht und – endlich sind wir am Ziel unserer Reise: ein Startknopf. So sinnvoll positioniert, wie eine Kuh auf dem Mond, aber bei dem Spaß, der ab hier beginnt könnte das Ding auch meinetwegen an der Kopfstütze angebracht sein – es wäre mir schlicht egal.

Toyota GT86

Der Subaru-Vierzylinder-Boxermotor meldet sich mit einem heiseren Husten, eher einem Räuspern zu Wort. Der Boxer singt seine ganz eigene Melodie, eh klar. Allen ist er zu leise, zu unaufgeregt. Aber eigentlich ist es schade, dass das ziemlich einzige, das wirklich von Subaru kommt, all den Spott und Hohn an diesem Auto ernten muss. Denn sofern der Nockenwellensensor nicht gerade vergisst wo oben und unten ist (ein typisches Problem der ersten BRZ/GT86), wovon ich glücklicherweise verschont blieb, mag ich ihn. Wirklich. Dieses heisere, rauhe Geräusch, sobald man ihm ein paar Drehzahlen gibt, das zaghafte Bellen, diese „untenrum is‘ nix!“-Charakteristik, wodurch der Motor erst ab 5.000 Umdrehungen den Großteil, wenn auch nicht alle, seiner 200 Pferde vermuten lässt. Irgendwie stehe ich darauf. Auch wenn beim Sound für den Innenraum, wie üblich, mittels Membran ein wenig nachgeholfen wird, ist die Akustik doch das, was einem seit Jahren schon verloren ging: mechanische Arbeitsgeräusche die einem eine möglichst enge Verbindung zwischen Mensch und Maschine ermöglichen.

Toyota GT86

 

Knackig, straff und immer ehrlich.  Das Fahrwerk des GT 86 ist trocken und knackig abgestimmt ohne dabei so hart zu sein, dass man die Farbe der Begrenzungslinie beim überfahren heraus lesen könnte. Die elektromechanische Servolenkung spielt den Part des Befehlsempfängers mit Bravour. Links, rechts, weite Bögen, enge Radien – der Toyota GT 86 spielt auf kurvigen Straßen das ganze Potential seines perfekten Grundlayouts aus.

– Bjoern Habegger, mein-auto-blog.de

Diese enge Verbindung zwischen Mensch und Maschine wird auch durch die übrigen Zutaten des GT86 ermöglicht: tief kauert man mit dem Hintern über der Straße, nahezu mittig zur Längsachse des Fahrzeugs, Popometer und Fahrwerk sind voll im Einklang und im Mensch ist es nicht der Kopf, der irgendwelche Signale über das Gehirn verarbeitet, es sind Reflexe die unmittelbar auf die natürlich Reize von außen reagieren und dem Fahrer helfen den mit dünnen Prius-Pneus bereiften Sportler über die Landstraßen zu werfen. All das ist so einfach und doch so genial: James May sagte einmal, dass man mit mikrigen, dünnbereiften Kleinwagen mehr Spaß haben kann, als mit dicken Sportwagen. Und auf eine gewisse Weise hat Captain Slow damit absolut Recht, das habe ich schon im Citigo-Fahrbericht so gesagt. Der GT86 macht all das nicht anders, nur dass er eben ein schönes Sportwagen-Kleid darüberstülpt. Der Grenzbereich ist groß, der Wagen allzeit kontrollierbar und beim langen Druck auf den TSC-Schalter muss man danach keine nassen Achselhöhlen fürchten, sondern vielmehr eine abhängig machende Droge: die volle Kontrolle über ein Auto, mit dem selbst Paris Hilton zur Driftkönigin werden könnte.

Toyota GT86

 

Denn auch wenn das Querfahren schwer lässig aussieht, so macht es Dich einfach nicht schneller. Ein sauber in der Kurve positionierter Subaru, noch dazu in korrektem Gang, ist dafür so schnell nicht zu biegen. Und die Lenkung ist Dir für diese Aufgaben wirklich ein sehr dankbarer Partner.

– Fabian Mechtel, asphaltfrage.de

Das merkt man alleine dann, wenn man morgens um halb 8 auf vom Raureif befeuchteten Straßen, das vorher deaktivierte Stabilitätsprogramm sehen wir jetzt mal als unnötiges Detail am Rande an, quer auf eine vierspurige Straße vor eine Polizeistreife einbiegt – oder zumindest dann beim Blick in den Rückspiegel feststellt, dass man eben dies gerade getan hat. Immerhin: der Verweis auf das leichte Heck, die feuchte Straße, die kalten Reifen und vor allem die Torsen-Sperre im Heck des GT86 haben dem Herrn Wachtmeister als Gründe für das „versehentliche“ Fahrmanöver gereicht, um augenzwinkernd darauf hingewiesen zu werden, dass man unter diesen „besonders schwierigen“ Bedingungen ein wenig mehr Aufmerksamkeit walten lassen solle. Am nächsten Morgen war ich aufmerksamer und habe genauer hingeschaut, welche Fahrzeuge sich im Verkehr annähern, bevor ich wieder im Drift … lassen wir das.

Toyota GT86

Fazit

Mit dem Toyota GT86 ein paar Tage im Alltag zu verbringen, birgt zwei große Gefahren, auf die ich hier ausdrücklich hinweisen möchte: erstens fährt man mehr quer als einem selbst, den Ordnungshütern, der Freundin, dem Beifahrer, den Einkaufstüten oder überhaupt irgendwem lieb ist. Zweitens: man will danach eigentlich gar kein anderes Auto mehr. Selten, nein eigentlich noch nie durfte ich ein Auto fahren, welches in der Lage war mir zu jeder Zeit, immer wieder, ein großes Grinsen ins Gesicht zu meißeln. Egal ob auf feuchter Straße oder auf trockener Straße. Man hat in jedem Fall seinen Spaß. Auf andere Art und Weise, aber man hat seinen Spaß. Und das, obwohl es sich im Alltag auch ganz bequem mit ihm leben lässt, sofern einem die zwei Sitze ausreichen. Er ist das Auto, dass jeder Petrolhead eigentlich nur lieben kann und muss. Die 200 PS sind zu wenig? Sei’s drum! Er wiegt nicht viel und ein Kompressor steht dem Boxermotor auch ganz hervorragend, es passt zum Charakter. Mein ehrliches Bekenntnis: wenn ich jemandem im GT86 herumfahren sehe – ich beneide ihn. Ich wünschte mir, ich könnte jetzt auch wieder eine Runde mit dem GT86 drehen. Vielleicht würde er mich doch irgendwann nerven, kaum eine Liebe ist für die Ewigkeit. Und doch könnte ich mir in diesen Momenten nichts schöneres Vorstellen, als den Platz zu tauschen. Das ist wohl das beste, das ich je über ein Auto sagen können werde, deshalb vergebe ich auch das erste Mal eine „Fahrspaß-10“ in der Wertung. Es ist der Fahrspaß, den man mit ihm immer wieder haben kann. Nicht nur zu einer speziellen Zeit, bei guten Bedingungen, sondern immer. Danke, Subaru, danke, Toyota!

Worin er besticht

Eine Verbindung zwischen Mensch und Maschine herzustellen. Den groben Knochen von Schalthebel durch die Gassen zu reissen, den rauhen Boxermotor mit jeder Faser des Körpers spüren – fahren, egal ob längs, quer, schnell und überhaupt!


Worin er nicht überzeugt

StVO-konformes Fahren mit dem Toyota GT86. Machbar, aber langweilig und eine echte Herausforderung.

Toyota GT86

Leseempfehlungen zum Toyota GT86 und Subaru BRZ

Text: sb
Bilder: sb

Wertung

9.2/10
  • Fahrdynamik: 8
  • Fahrspaß: 10
  • Sound: 5
  • Verarbeitung: 5
  • Komfort: 5
  • Ausstattung: 4
  • Verbrauch: 7
  • Preis/Leistung: 7
  • Persönliche Anziehungskraft: 8
Mein passion:driving Wertungsschlüssel spiegelt meine subjektive Einschätzung des Testwagens in verschiedenen Kategorien wieder. Die fahrdynamischen Qualitäten spielen dabei eine große Rolle. Trotzdem wird ein Auto nur durch Performance keine 10er-Wertung erhalten können. Hier gibt es mehr Informationen zum Wertungssystem.

Technische Daten

Toyota GT86

Motor-Bauart:
2,0-l-Vierzylinder Boxermotor DOHC
Hubraum:
1.998 cm³
Leistung:
147 kW / 200 PS bei 7.000 U/Min
Drehmoment:
205 Nm bei 6.400 – 6.600 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
226 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
7.6 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
10.4 L / 6.4 L / 7.8 L SuperPlus (ROZ 98)

Grundpreis Toyota GT86:
30.450
Testfahrzeugpreis:
32.992
Testverbrauch:
9.1 Liter / 100 km über 2.483 km
Leergewicht:
1.305 kg
Max. Zuladung:
365 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.255 mm / 1.775 mm / 1.285 mm

Disclosure zur Transparenz

Das Fahrzeug wurde mir freundlicherweise von Toyota Deutschland für den Test zur Verfügung gestellt. Der Test erfolgte unabhängig. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

39 Kommentare

  1. Der lange Druck auf den VSC-Knopf bringt nicht viel – vor allem ermöglicht er keine anständigen Drifts. Es muss schon der TCS-Knopf weiter links sein – länger als 3 Sekunden bei unter 50 km/h (oder halt im Stand). Erst dann sind die elektronischen Helferlein wirklich deaktiviert.

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