Nein, kein Facelift, keine Modellpflege, sondern ein komplett neues Modell. Das muss man vorausschicken, denn ganz so eindeutig fällt der neue Audi A4 B9 nicht als „neuer“ auf. Ich hatte die Gelegenheit, einen Blick auf den neuen A4 zu werfen und zu schauen, was den neuen denn wirklich einen neuen sein lässt.

Neuer 2016 Audi A4 B9 - Avant und Limousine
Dabei hat sich rein äußerlich tatsächlich am wenigsten getan, wenn auch die Designfortschritte im Detail schon interessant sind. Doch Hand auf’s Herz: dem einfachen Betrachter wird der Unterschied zum neuen A4 (interne Baureihenbezeichnung B9) kaum auffallen. Und auch als ich im Fotostudio in Ingolstadt das erste Mal vor dem Auto stand, musste ich erst gründlich suchen. Allerdings versteht es Audi sehr gut, Design durch Details leben zu lassen. Trotzdem überwiegt ein wenig Ernüchterung. Da geht es auch dem Jens nicht anders, der sich ein wenig enttäuscht zeigt vom neuen Design und eigentlich mehr erwartet hätte.

Und wieder: die Revolution bleibt aus

Am auffälligsten ist sicherlich noch das neue Design des Tagfahrlichts. Mehr und mehr geht man nun bei Audi dadurch über, jedem Fahrzeug eine eindeutige Lichtsignatur zu verpassen. Das ist auf der einen Seite ganz schön, hilft die Fahrzeuge zu differenzieren. Andererseits ist es aber schade, dass man diese Differenzierung auf dem ersten Blick nur noch über das Licht schaffen möchte. Der neue A4 gibt sich jedenfalls durch ein „Hakendesign“ im Scheinwerfer erkennbar. Ob er auch Haken schlägt? Das werde ich erst später erfahren, denn fahren konnte ich den neuen noch nicht. Viel mehr Worte über das Design möchte ich hier nun auch gar nicht verlieren, denn damit beschäftige ich mich im obigen Video zum A4 B9 deutlich ausführlicher. Soviel aber sei noch gesagt: Dank des Designs kommt Audi bei der Limousine auf einen cW-Wert von nur 0.23, beim Avant immerhin 0.26 – das sind beachtlich gute Werte für ein Auto dieser Größe!

Die größten Neuerung warten allerdings tatsächlich im Innenraum auf: hier gibt’s ein neues Design, das wir so schon auch ein wenig vom neuen Audi Q7 kennen. Ein (optionales) großes Virtual Cockpit für den Fahrer, dann eine bis zur Beifahrertüre durchgehende Lüftungsleiste, die dem Innenraum mehr optische Breite geben soll und den Beifahrer „passiv belüftet“. Soll heißen: dort strömt die Luft diffus aus und erzeugt somit weniger Zugwind. Darüber sitzt – erstmals nicht versenkbar – das MMI plus oder auch das Display des MMI Radio plus.

Technologie und Design vom Q7 zum A4

Beides kann, wie auch schon im Q7, per Android Auto und Apple CarPlay betrieben werden. Sinn macht das nun vor allem für das MMI Radio plus, welches selbst keine Navigationsfunktion hat. Damit lässt sich dann per Google Maps am Handy bequem navigieren. Übrigens: Android Auto habe ich mir im Q7 das erste Mal ausführlicher in der Praxis anschauen können und habe auf heise autos auch einen Text dazu verfasst.

Übrigens, kleines Gimmick im Innenraum: wie auch schon im Q7 gibt es nicht nur eine Ambientbeleuchtung, sondern auch so genanntes „Konturlicht“. Damit sind besonders scharfe Lichtkanten im Innenraum gemeint. In 30 verschiedenen Farben können Ambient- und Konturlicht unabhängig voneinander konfiguriert, oder auch abhängig vom drive select Modus eingestellt werden. Nutzlos, aber sexy! 😉

Darüberhinaus ist beim neuen A4 alles optional an Bord, was auch schon den Q7 technisch so veredelt: die neueste Version des Infotainment-Baukastens, Bang & Olufsen Soundsystem mit 3D-Sound-DSP (was ich persönlich eher so „naja“ finde) und eine ganze Armada modernster Assistenzsysteme. Beispielsweise die Ausstiegswarnung, welche die Passagiere vor herannahenden Autos oder Fahrradfahrern warnt. Oder etwa der Ausweichassistent, welcher in einer Gefahrensituation mittels Frontkamera, sowie Radardaten vom adaptiven Tempomaten eine geeignete Ausweichmöglichkeit berechnet und – sobald der Fahrer reagiert – beim Lenkeingriff zum Ausweichmanöver unterstützt.

Assistenzsysteme deluxe

Mein persönliches Highlight: der prädiktive Effizienzassistent. Das klingt nun erst einmal etwas langweilig nach Sprit sparen, ist aber eigentlich die Vorstufe zum autonomen Fahren. Denn das System ist eine erweiterte Funktion des adaptiven Tempomat und verringert bzw. erhöht selbstständig vor Kurven, Tempolimits, Kreuzungen, Kreisverkehren usw. das Tempo auf die passende Geschwindigkeit. In der Praxis heißt das: Tempomat an, Geschwindigkeit einstellen und fahren lassen – also fast. Lenken muss man natürlich schon.

Unter dem Blechkleid hat sich freilich auch etwas getan. Einerseits konnte mit der Weiterentwicklung des modularen Längsbaukasten, dem so genannten MLB Evo, das Gewicht um bis zu 120 Kilogramm reduziert werden – je nach Motorisierung natürlich. Die Karosserie selbst konnte nur um gut 15 Kilogramm abspecken. Apropos Motoren: hier geht es bei 150 PS (sowohl im Benziner, als auch beim Diesel) los. 252 PS leistet maximal der 2.0-TFSI-Benzinmotor, 272 PS hingegen der 3.0-V6-TDI. Deutlich interessanter aber ist die Überarbeitung des 2.0-TFSI in der 190 PS Variante. Der arbeitet nun im Miller-Zyklus. Dort wird das Einlassventil sehr viel früher, nämlich noch während des Ansaughubes, geschlossen. Dadurch sinkt der Füllungsgrad des Zylinders und zur Expansion des Gemisches bei der Zündung steht sozusagen mehr Platz zur Verfügung. Dadurch kann z.B. eine Turboaufladung im Verhältnis bessere Ergebnisse erzielen, weil mehr Expansionsenergie genutzt werden kann, ohne mit einem hohen Verdichtungsdruck kämpfen zu müssen, welcher die Klopfneigung verstärken würde.

Nach wie vor sitzen die Motoren übrigens an der – streng genommen – falschen Stelle. Nämlich deutlich vor der Vorderachse. Das sorgt zwar für gute Platzverhältnisse im Innenraum, erzeugt aber eine gewisse Kopflastigkeit und ist daher fahrdynamisch nicht unbedingt die beste Einbauposition. Wirklich relevant aber wird das vor allem dann für den S4, auf den wir allerdings noch eine Weile warten müssen.

Preis und Verfügbarkeit

Bestellbar ist der neue Audi A4 B9 ab August 2015, die Auslieferungen beginnen im November. Einen exakten Grundpreis gibt es noch nicht, der wird aber zwischen 30.000 und 31.000 Euro liegen.

Text: sb
Fotos: Audi

Disclosure zur Transparenz

Ich wurde von Audi nach Ingolstadt eingeladen. Reisekosten und Verpflegung wurden von Audi übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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