Tatsächlich gibt es wohl schlechtere Orte auf der Welt, um mit einer Reifenpanne zu stranden. Huesca hat nicht nur eine außergewöhnlich hohe Dichte an Restaurants mit Michelin-Sternen und -Empfehlungen, sondern auch gute und doch günstige Hotels. Während wir also auf unseren Reifen für den Mercedes C450 AMG warteten, verbrachten wir die Nacht gemütlich im 4-Sterne-Hotel in einer 2-Zimmer-Suite – für gerade einmal 100 Euro…

#thepluses3 - Irgendwo in Spanien - Roadtrip in die Pyrenäen

So kann man sich das gefallen lassen. Zumal der andere Teil des Teams am Vorabend bei der Hotelsuche offenbar nicht so viel Glück hatte. Zweiter Vorteil an Huesca: Spanien. Wie sich im Laufe unsere Tour schon zeigte, ist hier in Spanien alles irgendwie ein wenig besser: der Straßenbelag ist griffiger, die Szenerie skurriler, die Menschen meistens etwas freundlicher und das Essen leckerer. So haben wir Abend- und Mittagessen in unterschiedlichen und angenehmen kleinen, spanischen Restaurants in den Gassen Huescas verbracht, bummelten durch die Stadt und den wunderschönen Park, während wir auf den erlösenden Anruf vom Mercedes-Service warteten, dass das Auto fertig sei. Denn bisher gab es nur die grobe Aussage, dass es wohl Nachmittag, eher Abend werden dürfte.

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Immerhin: Ausschlafen konnten wir, ein seltenes Gut während eines solchen Roadtrips. Und gut Essen konnten wir auch. Doch spätestens nachdem gegen 15 Uhr die Innenstadt auf- und abgelaufen, jeder Laden, jedes Café erkundet schien, wurde es dann doch ein wenig langweilig im schönen Provinzhauptstädtchen Huesca. Die Stunden zogen sich immer mehr, während die andere Hälfte des #thepluses3-Teams bereits die nächsten Pässe unter die Räder nahm.

Dann, irgendwann gegen 17 Uhr, endlich der Anruf der Mercedes-Assist-Hotline: das Auto ist fertig. Aber noch seien einige Dinge zu klären, da das Fahrzeug ja offenbar ein Pressefahrzeug ist, aber eine offizielle Bestätigung seitens Daimler noch aussteht. Egal, wir machen uns auf den Weg zur Niederlassung. Das Auto steht dort – ein Stein fällt mir vom Herzen. Die freundliche Irene dämpft meine Hoffnung allerdings gleich wieder: noch gibt es keine Bestätigung, dass es sich um Pressefahrzeug handelt, sie muss das vorher erst klären, wird versuchen mit der spanischen Zentrale in Madrid zu einer Einigung zu kommen. Wieder mal: warten. Immerhin werden wir dieses Mal nicht so lange auf die Folter gespannt: nur wenige Minuten später kommt Irene zu uns und gibt uns grünes Licht. „You can go!“ – Halleluja!

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Schnell noch unser Notgepäck im Auto verstaut und die Route nach Biarritz programmiert. „3,5 Stunden Fahrtzeit“, sagt das Navi, „18:40“, verrät der Blick auf die analoge Uhr im Benz. Doch die Vorstellung, einen Roadtrip so enden zu lassen läuft mir zuwider. Zwei Tage vor Roadtrip-Ende das letzte Mal auf Passstraßen gefahren zu sein, danach auf direktem Weg nach Biarritz? Nein, das kann nicht sein. Kurzer Blick auf die Karte: Larrau liegt halbwegs auf der Route, drumherum viele Kurven und offenbar auch ein Pass. Das sieht gut aus. Ohne zu schauen welcher Pass das eigentlich ist, gebe ich das Zwischenziel ein. Die Fahrtzeit bis zum Ziel verlängert sich um rund 80 Minuten. Egal. Ich kann diesen Roadtrip nicht mit langweiligen Autobahnkilometern enden lassen – eine letzte Pyrenäenerfahrung bin ich mir, euch, dem Auto und den nagelneuen Reifen schuldig.

Wir fahren los. Die ersten Kilometer noch auf kerzengeraden, spanischen Landstraßen, bevor wir langsam ins Gebirge eintauchen. Und wie! Spektakuläre, rote Felswände, tiefe Schluchten, Stauseen – wow! Spanien, du konntest uns nun schon so oft auf diesem Trip überraschen und tust es wieder. Fast bin ich froh, heute nicht die reguläre Route zu fahren, auch einmal andere Seiten zu entdecken. Manches lässt sich eben nicht planen.

Allmählich nähern wir uns Isaba, dem eigentlich Ausgangspunkt unserer Route für Tag 8. Von hier sind heute morgen auch die anderen gestartet. Wir dagegen komment mit gut 12 Stunden Verzug überhaupt erst in Isaba an. Die Straßen bis hierhin ein wunderbares fließendes Geschlängel. Immer wieder ein angenehmer Wechsel von Links- in Rechtskurven, angenehm offene Kurvenradion. Ein flüssiger Fahrstil wird hier mit jeder Menge Fahrspaß belohnt. Ab Isaba wird es dagegen enger. In allen Ortschaften sind zudem etliche Menschen auf den Straßen unterwegs, das Dorfleben ist in vollem Gange. Fast scheint es, als wollen uns alle Bewohner für unsere lange Nacht anfeuern, für das was uns noch bevorsteht.

Hinauf geht es auf „den“ Pass. Ist der erste Teil seiner Anfahrt noch recht unspektakulär, steigert sich die Aufregung, sobald man die Baumgrenze hinter sich lässt. Da ist sie wieder, diese typische, karge Landschaft mit saftigen Wiesen als Kontrast. So wie man sich die Pyrenäen eben vorstellt. Verkehr? Keiner. Die Straße scheint wie ausgestorben. Bei grauem Wetter und vereinzelten Regentröpfchen kämpfen wir uns den Berg hinauf, als ich mir einbilde, das alles schon einmal gesehen zu haben. „Hier geht es jetzt noch nach links, dann eine Spitzkehre rechts. Danach folgt ein kurzer Tunnel und dort ist dann die Passhöhe!“, prophezeie ich Katrin den Streckenverlauf. Und genau so kommt es.

Natürlich habe ich bei all der Roadtripperei noch keine übersinnliche Passprophezeiungsgabe entwickelt. Leider. Stattdessen kamen plötzliche Erinnerungen an YouTube-Videos, welche ich im letzten Jahr von den Pyrenäen gesehen habe. Bei YouTuber „RoadTrooper“ habe ich einige schöne Aufnahmen vom Motorrad aus gefilmt gesehen und genau dieser Pass, das Port de Larrau, war es, der mir mit seiner markanten Landschaft so im Gedächtnis hängen blieb.

Oben an der Passhöhe auf 1.573 Metern zogen die Wolken im Eiltempo vorbei. Heftiger Wind, so stark, dass die Türen vom Mercedes kaum zu öffnen waren, zog von der französischen Seite hinauf. Das erschwerte auch das Fotografieren: wenig Licht, ISO am Anschlag, Auslösezeit schon längst viel zu hoch und dann noch der Wind, der dich unbedingt vom Berg pusten will. Verzeiht mir die eher weniger schönen Fotos von dort oben.

Ich kämpfe weiter mit dem Wind, als mein Blick nach unten schweift – atemberaubend. Aber auch: warnend. Denn dort unten waren bereits von hier oben etliche Tierherden auszumachen. Die Abfahrt brachte dann tatsächlich alles mit sich, was einem auf solchen Pässen begegnen kann: Schafe, Ziegen, Kühe. Alles benötigte viel Geduld, bis wir endlich passieren konnten. Nach einer Rechtskurve dann wieder: vor uns eine Schafherde. Alle stehen sie perfekt geordnet in Reih und Glied in unsere Richtung blickend, lassen sich von nichts beeindrucken. Lichthupe? Nichts. Hupe? Keine Reaktion. Erst, als ich den Sechsender aufheulen lasse, springen die Tiere verängstigt von der Straße und geben dem Affalterbacher Alphatier den Weg frei.

Nach unten verschlechtert sich das Wetter. Erst Regen, dann Nebel. Sichtweiten von zehn, vielleicht zwanzig Metern. Und immer wieder tauchen vor den LED-Scheinwerfern des Baby-AMG plötzlich Kühe oder Schafe auf. Zudem wird es dunkel, die Nacht bricht herein. Und so kämpfen wir uns Kilometer für Kilometer durch den Wald, den Nebel und den Regen. Nach einer Linkskurve rennt uns plötzlich ein Hund knapp vors Auto. Ich sehe gerade noch seinen Hintern, bevor er wieder im Nebel verschwindet. Wenige Kurven weiter: ein Holländer steht mit seinem Renault Scenic mitten auf der Straße, die Warnblinkanlage leuchtet. Ein Tier ist allerdings nicht zu sehen und er fährt das Auto zur Seite – Hilfe scheint er keine zu benötigen. Seit Isaba und noch bis einige Kilometer später ist er das einzige Fahrzeug, das einzige Zeichen menschlichen Lebens, das uns hier begegnet. Und das auf einer Strecke von ca. 70 Kilometern.

#thepluses3 - Mercedes-Benz C450 AMG am Port de Larrau | Roadtrip in die Pyrenäen

Mit Lecumberry und Saint-Jean-Pied-de-Port nähern wir uns endlich wieder der Zivilisation. Wie wir später feststellen, sind wir tatsächlich alle 3 Pässe gefahren, welche auch regulär auf dem Tagesplan gestanden hätten – und der Larrau war dabei noch einmal ein echtes Highlight. Die anderen beiden, Col Bagargui mit 1.327 Metern und Col de Burdincurutcheta mit 1.135 Metern, welche Can einfach nur als Landstraßen bezeichnete, waren für uns echte Herausforderungen. Lag es am Nebel, am Regen oder der langen Fahrt? Dem unabdingbaren Willen, heute an den Atlantik zu kommen? War es das, warum auch diese beiden „einfachen Landstraßen“ für uns dennoch so besonders und spektakulär wirkten? Man weiß es nicht. So oder so war das, diese gesamte 275 Kilometer lange Etappe, die Fahrt meines Lebens.

In Biarritz angekommen, konnten wir den Atlantik zuerst nur riechen. Die salzige Meeresluft lag uns in der Nase. Ans Meer wollten wir heute aber nicht mehr. Erst am nächsten Tag trafen wir uns mit den anderen endlich wieder hier, an unserem Ziel der Reise: am Atlantik. Es ist geschafft, wir waren endlich angekommen. Danke, Pyrenäen, ihr seid großartig!

Danksagung

Danke an das gesamte Team: Can Struck (driversgroove.com), Jonas Bomba (cinephiles.de), Katrin Sonntag, Belgin Struck, Milena Kujawa und Cem Ögütveren. Ihr seid großartig! Vielen Dank außerdem an Nissan, Mercedes-Benz und Heimplanet für die Unterstützung bei diesem Trip.

#thepluses3 - Abschlussfoto am Atlantik

PS: Wenn man schlauerweise die Spiegelreflex im Hotel liegen lässt, wie macht man dann sein Abschlussfoto? Mit der Drohne. Eh klar! 🙂

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

35 Kommentare

  1. Unfassbar guter Beitrag und wunderschöne Bilder! Irgendwann werde ich auch mal so eine Tour machen!
    Grüße Marco

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