Dass Stefan Bogners Magazin „Curves“ eine besondere Bedeutung für unsere Tourenplanung in die Pyrenäen zukam, ist kein Geheimnis. Doch nachdem der gestrige Tag sehr holprig lief und sich das eigentliche Highlight gar nicht in oben genanntem Buch befand, kamen erste Zweifel an Bogners Werk auf…

Die Hoffnungen für den heutigen Tag waren zwar nicht groß, aber doch bestimmt: es kann und muss besser werden. Und nach einem viel zu späten Start in den Tag, bewegen wir uns vom Campingplatz auf direktem Wege zum Port de la Bonaigua auf 2.072 Metern. Ein feiner Pass. Wirklich. Wechselnde Kurvenradien, schöne Serpentinen, angenehme Streckenbreite. Doch wieder bleibt der große Wow-Faktor aus.

Bauarbeiten, Rollsplit – passenderweise immer genau in der Brems- und Einlenkzone einer Serpentine – und recht reger Verkehr, der nicht nur auf Touristen, sondern auch auf die Nutzung dieses Passes als Durchgangsstraße zurückzuführen ist. In meinem Kopf kreisen neue „Curves“-Untertitel wie: „CURVES – die schönsten, HDR-fotografierten Hauptverkehrsstraßen der Pyrenäen“.

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Wenn wir hier in den Pyrenäen von Verkehr sprechen, bedeutet das zwar, dass höchstens ein Zehntel der Fahrzeuge unterwegs sind, die sich an einem schönen Sommertag mit etlichen Wendemanövern das Stilfser Joch hinaufquälen, trotzdem reicht es, um den Fahrspaß ausreichend einzubremsen. Dabei ist das fraglos ein schönes Stück Straße in einem schier beeindruckenden Stück Landschaft, was letztlich auch der Grund war, warum wir uns hier lange mit unseren Dreharbeiten aufgehalten haben. Da aber auch die Zufahrt des Passes auf weit über 1.000 Metern beginnt, ist die eigentliche Anfahrt über die Ostrampe kurz. Bevor man sich so richtig am Steuer eingegrooved hat, steht man bereits auf der Passhöhe.

Folglich überwog in mir eine gewisse Ernüchterung. Die europäische Wasserscheide zwischen Mittelmeer und Atlantik haben wir hier oben nun schon überquert – gefühlt die Hälfte des Trips hinter sich (obwohl es ja noch gar nicht richtig los ging). Sollte ich von den ganzen wunderbaren Alpenpässen schon so versaut sein? Drei weitere Pässe standen dennoch weiterhin auf dem Programm. Der nächste: Col du Portillon.

Vielleicht ist es eine klassische Frage der Erwartungshaltung. Man erwartet wenig, also können Erwartungen einfach übertroffen werden. Vielleicht war es aber auch dieses wunderbare Asphaltband, das sich hier um einen Berg herumschlängelt, die Wände eines gigantischen Tales emporklimmt, um dich dann in einem flinken Wechsel wunderbarer Kurven wieder zurück nach Frankreich zu bringen.

Und so plötzlich sich die Vegetation am Vortag änderte, als wir in Spanien landeten, so vertraut wirkte plötzlich auch wieder die französische Seite. Irgendwer muss doch hier auch Ländergrenzen für Flora und Fauna gezogen haben, so scheint es. In jedem Fall sei aber versichert: trotz seiner gerade einmal 1.293 Metern Höhe, ist der Col du Portillon ein echter Fahrspaßgarant. Womit bewiesen wäre: die Höhe sagt noch lange nichts über den Fahrspaß aus.

Unsere Route führt uns weiter in Richtung des unaussprechlichen Col de Peyresourde. Und während man hier erst noch in einem unscheinbaren Tal umherschlingelt, geht es schlagartig hinaus „ins Freie“: große Berge, schroffe Felsen, grüne Wiesen – eine Landschaft, wie im Märchen. Und vor dir: gigantisch schöne Kurven. Ja, auch diese Passauffahrt ist nicht die längste, fraglos aber eine der schönsten. Wenige Kurven, die alle Zutaten optimal auf sich vereinen. 1.563 Meter gerade, und doch so groß!

Halleluja: diese Pyrenäen sind ein Meisterwerk. Spätestens jetzt steht fest, dass man dieses Gebirge viel zu schnell unterschätzt, reist man mit gigantischen Erwartungen an. Doch ihr Versprechen können die majestätischen Berge einlösen. Da freut man sich, dass nun doch alles gut wird, der Tag gerettet ist und schon schütteln die Berge noch ein weiteres Ass aus dem Ärmel: Col d’Aspin. Schmal, hier und da einspurig, in jedem Fall mit Vorsicht zu genießen. Trotzdem: großes Kino. Hügelige Fahrbahn, schnelles Links-Rechts-Gefräse, wenige, aber sehr schöne Serpentinen und: freie Fahrt. Was für ein Tagesabschluss.

Morgen nehmen wir auch wieder etwas Tempo heraus. Noch einmal prüfen wir die Aussagekraft von Höhenmetern. Mit 2.115 Metern geht es auf dem Col de Tourmalet auf einen der höchsten Pyrenäen-Pässe, in jedem Fall aber dem höchsten französischen Pyrenäen-Pass. Sicher aber auch einem der meist besprochenen. Wer zum Fahren in die Pyrenäen kam, ist auch den Tourmalet gefahren. Und er wird morgen unser einziger Pass bleiben – hoffen wir, dass wenigstens er die Ehre der Höhenkönige verteidigen kann.

#thepluses3 - Mercedes C450 AMG und Nissan GT-R am Campingplatz in den Pyrenäen

Text: sb
Fotos: sb

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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