Ja, es gibt sie noch. Autos über die man bis zur Schließung der Hotelbar tief in die Nacht hinein im Rausche des Alkohol leidenschaftlich diskutieren kann, ob sie nun Sinn machen oder eben nicht. SUV zum Beispiel, da dreht’s jedem Petrolhead den Magen um, aber die Diskussion um SUV ist so ernüchternd wie ermüdend, dass diese Dinger einfach resignierend akzeptiert werden. Gut, dass es jetzt den Mercedes-Benz GLA 45 AMG gibt, von dem man zwar behauptet, dass er irgendwie SUV sei, sich aber gerade deshalb so herzhaft darüber debattieren lässt, dass er eigentlich gar keiner ist.
So können wir uns schon zu Beginn der Frage widmen, was der Mercedes-Benz GLA denn eigentlich überhaupt ist? Er basiert auf der Plattform der A-Klasse. Frontantrieb, quer eingebaute Motoren, optionaler Hang-On-Allrad. Und auch die Außenhaut ist der A-Klasse sehr ähnlich. Man will eben eine Produktfamilie über mehrere Nischen Klassen hinweg etablieren. Und da gibt es eben die den Kompaktwagen, die A-Klasse. Und die coupéhaft-gezeichnete Limousine, den CLA. Und jetzt eben auch den GLA, der im Grunde genommen eine A-Klasse ist, welche vier Zentimeter höhergelegt wurde. Um dann als AMG-Modell wieder drei Zentimeter tiefergelegt zu werden.
Dass ein Kompaktwagen mit 3 Zentimetern mehr Bodenfreiheit nun irgendwie nur schwerlich als SUV einzuordnen ist, leuchtet ein, insbesondere wenn auch die Höhe der Sitzkonsole völlig unverändert bleibt und damit auch das Argument “man sitzt ja so schön hoch” irgendwie ad absurdum geführt wird. Ja, spätestens dann, wenn ein SUV an einem selbst vorbeifährt, wird einem bewusst, dass der GLA durch 4 cm mehr Bodenfreiheit ebenso wenig zum SUV wird, wie ein Teller Nudeln durch Ketchup zu Spaghetti Bolognese. Kollege Bjoern, mit dem ich mir das Cockpit im GLA 45 AMG teilte, umschreibt das selbst sehr treffend:
Allerdings behilft sich Mercedes-Benz hierbei eines Tricks. Der normale GLA ist 4 Zentimeter höher als die A-Klasse. Der AMG-Spross sinkt wiederum drei Zentimeter in Richtung Asphalt. Damit schrumpft die Offroad-Lust auf ein Minimum. Konsequent auf sportliches Handling “on the Road” ausgelegt und somit fernab der “kompakten SUV-Klasse.
Dann wäre da ja noch das Argument um das Mehr an Platz. Der GLA ist eben für Leute, die mehr Platz brauchen, als in ihrer A-Klasse. Kurz das Datenblatt gecheckt, “MÄÄÄÄP!”. Zack! Wieder ein Euro für die Pressemappenphrasenkasse. Mehr Platz hat im GLA nämlich im Grunde genommen niemand, außer vielleicht das Gepäck, das hier und da einen Zentimeter in der Breite an Platz gewinnt und ganz exakt einen Zentimeter mehr in die Tiefe geschoben werden darf. Alle anderen Maße sind identisch: Beinfreiheit vorne, Beinfreiheit hinten und auch die so gerne als Kaufargument für SUV angeführt Sitzhöhe. Wobei, eine Ausnahme gibt es doch zu vermelden: die Kopffreiheit. Die ist beim GLA verringert worden. Ja, verringert! Marginal nur, aber doch verringert worden.
Ein kleines “Sorry” für diesen Exkurs in die schnöde Welt der Maße, die die Praktikabilität eines Fahrzeugs definieren, aber ein bisschen muss man eben doch ausholen, damit die Fronten geklärt sind, bevor man sich nun auf das Fahrzeug einlässt. Die Bezugspunkte sollten schließlich klar besprochen sein, nicht dass wir noch in Versuchung kommen Äpfel mit Birnen zu vergleichen.
Spannen wir also nun wieder den Bogen zurück zu dem GLA, um den es hier im Wesentlichen geht: den GLA 45 AMG. Der wird, ebenso wie A 45 und CLA 45, von einem 2-Liter-Turbobenziner angetrieben, welcher dank kräftiger Aufladung stolze 265 kW (360 PS) leistet und mit einem Drehmoment von 450 NM über den 4MATIC-Allradantrieb an der Fahrbahndecke zerrt. Im kompliziert zu initialisierenden Race-Start mittels Launch Control reicht das, um den GLA 45 AMG innerhalb von 4,8 Sekunden auf Landstraßentempo zu katapultieren. Ja, dieser Vierzylinder ist eine Wucht. Im Reigen der bestklingenden Turbovierzylinder dürfte er sich wohl die Krone aufsetzen. Er brummt mit kräftiger Stimme, sonor, leicht heiser. Im Sportmodus werden Schaltvorgänge unter Last mit einem kräftigen Knallen untermalt, als wolle er dem Establishment akustisch vor die Füße kotzen.
Überhaupt ist die Abstimmung des 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebes ganz hervorragend gelungen. Egal ob Hochschalten unter Last oder, wenn es sein muss, auch beim entspannten Cruisen, die Schaltvorgänge gehen geschmeidig und ohne spürrbaren Ruck bei der Momentübergabe von der Hand und Zündunterbrechung sorgt für die notwendige Emotionalität. Beim Herunterschalten wird die Drehzahl präzise mittels flotter Zwischengasfunktion angeglichen. Und steht man dabei nicht auf dem Gas, gibt es auch noch ein schönes Geknatter im Nachgang auf die Ohren. Schade nur, dass die Spreizung der Gänge so NEFZ-verseucht ist, dass der Sprung zwischen dem auf Bergstraßen so wichtigen 2. und 3. Gang so groß ist. Das führt dazu, dass man meist ergebnislos an der linken Schaltwippe zieht, weil das Sportfahrerhirn die akustischen Signale aus dem Ohr eben als “beim Dritten bist du jetzt weit genug runter, der Zweite muss rein!” verarbeitet. Der will aber noch nicht so recht, weil die Getriebesteuerung schlau genug ist zu wissen, dass sonst der ein oder andere Kolben ein ungewolltes Lochmuster in die Motorhaube stanzen würde. Schade, muss man sich eben umgewöhnen, sportlich ist diese Übersetzung aber leider nicht.
Sicher, fahrdynamisch braucht sich der Mercedes-Benz GLA 45 AMG aber keineswegs verstecken. Mit überraschend wenig Wankneigung kann er jedenfalls glänzen, einzig die Steifigkeit des Fahrwerks sorgt in schnell durchfahrenen Kurven durch Senken hier und da mal dafür, dass das kurveninnere Hinterrad nicht mehr in der Lage ist, die ihm vermittelten Antriebskräfte in Vortrieb umzuwandeln. Dafür punktet er durch ein hervorragendes Eigenlenkverhalten. Es ermöglicht ein idiotensicheres Erkunden des Grenzbereiches, auch – oder erst Recht – wenn alle elektronischen Hilfen zur Gänze deaktiviert sind. Sicher, die elektronisch simulierte Quersperre ist natürlich noch aktiv und versucht mit radselektiven Bremseingriffe den Verschleiß von Material durch einen fahrdynamischen Zugewinn auszugleichen. So ganz funktionieren will das aber nicht, der GLA 45 schiebt unter Last auch trotz Allradantriebes gerne und schnell über die Vorderräder, ist dabei aber immerhin schnell wieder in die rechte Bahn zu rücken. Das Heck? Das folgt stoisch der vom Fahrer vorgegebenen Spur und ist höchstens durch grob fahrlässige Lenkbewegungen im Zusammenhang mit abrupten Lastwechseln ein wenig in Bewegung zu versetzen. Aus der Ruhe zu bringen ist es allerdings kaum.
Was sich jetzt nun alles so nüchtern liest, ist eine ganze einfache Umschreibung für: dieses Teil klebt und geht wie Sau! Die fahrdynamischen Talente sind enorm! Und da sind wir auch wieder bei den oben gesetzten Bezugspunkten: denn bevor nun jemand mit damit kommt, wie gut das Ding für einen SUV um die Ecken geht, ist es wichtig zu klären, dass er eben kein SUV ist. Er ist nicht ganz ein Kompaktwagen, aber eben auch kein SUV. Zeit etwas neues zu definieren: er ist ein Crosshatch. Punkt. Und vermutlich ist er der beste Crosshatch, der dynamischste. Und auch wenn ich mir dafür auf die Finger haue: selbst für einen Kompakten geht er verflucht gut ums Eck, da könnte sich so manches “Hot Hatch” eine kräftige Scheibe von abschneiden. Und doch, bleibt die Sinnfrage, die sich auch Jens in seinem Fahrbericht stellt. Denn fahrdynamisch macht es der A 45 AMG nun mal besser. Wenn auch vielleicht nur auf dem Papier. Der GLA 45 AMG muss in dieser Hinsicht einfach Abstriche hinnehmen.
Fazit
Und damit sind wir wieder bei der Sinnfrage. Ein Auto also, das keinen Zugewinn an Platz für die Passagiere bietet, ebenso wenig ins Gelände gebracht werden sollte, wie sein Bruder, die A-Klasse, aus fahrdynamischer Sicht durch das etwas höhere Fahrwerk und Gewicht allerdings hintenanstehen muss – wenn auch zugegebenermaßen nicht viel – und zu guter Letzt kostet er mit mindestens 55.870€ auch noch über 5.000€ mehr, als der normalhohe Bruder (für die recht „exzessiv“ gestaltete Edition 1 werden immerhin 63.248€ fällig). Nein, ein paar Liter mehr Kofferraumvolumen, die in der Praxis ohnehin kaum nutzbar sein werden, lasse ich hier nicht gelten. So bleibt am Ende wohl nur das Argument um Optik und Style. Tja und über Geschmack darf man eben nicht streiten. Aber, liebe Interessenten und liebes Marketing: sagt das doch einfach. Die Sachen mit dem Platz und der Geländegängigkeit sind dann doch nur irgendwie so halbgar. Ja, der GLA 45 AMG macht seinen Job ganz hervorragend, er taugt als Kurvenräuber und weiß dabei sogar zu begeistern, der Beigeschmack bleibt aber. Weil ich mir auf jeden Kilometer denke: der A 45 kann’s besser – auch wenn ich es nicht spüre, ich weiß es. Weil es auf dem Papier steht, beim Punkt “Bodenfreiheit”. Seine Käufer wird der GLA 45 AMG aber vermutlich dennoch finden und das ist auch gut so. Denn denen wird jede Menge Fahrspaß garantiert sein. Kann ja nicht jeder ein so engstirniger Petrolhead sein.
Text: sb
Fotos: sb/Mercedes-Benz
Technische Daten
Mercedes-Benz GLA 45 AMG
- Motor-Bauart:
- 16V Reihenvierzylinder mit Benzindirekteinspritzung und Turboaufladung
- Hubraum:
- 1.991 cm³
- Leistung:
- 265 kW / 360 PS bei 6.000 U/Min
- Drehmoment:
- 450 Nm bei 2.250 – 5.000 U/Min
- Höchstgeschwindigkeit:
- 250 km/h
- Beschleunigung (0-100 km/h)
- 4.8 Sekunden
- Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
- k.A. L / k.A. L / 7.5 L E10 (ROZ 95)
- Grundpreis Mercedes-Benz GLA 45 AMG:
- 55.870 €
- Leergewicht:
- 1.585 kg
- Max. Zuladung:
- 520 kg
- Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
- 4.445 mm / 1.804 mm / 1.479 mm
Disclosure zur Transparenz
Ich wurde von Mercedes-Benz nach Málaga, Spanien eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Mercedes-Benz übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.
17 Kommentare
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Schönes Auto, nur – ebenso wie ein Mini Countryman/Paceman JCW weder Fisch noch Fleisch!
Wobei ich persönlich das mit dem „schön“ auch etwas anders sehe 😉
Gut, schön war auch nicht auf die Optik bezogen 😉
Dann sind wir uns einig 😉
Definitiv der beste Bericht den ich bisher zum GLA45 gelesen oder gesehen habe. DANKE!
Danke, Heiko! Das hört man gern 🙂
Beim Doppelkupplungsgetriebe gibt es doch generell keine Zugkraftunterbrechung. Oder täusch ich mich da. Nur das klassische ASG war dies ein Problem.
Jein, eine kurze Unterbrechung gibt es ja auch dort, allerdings bei den meisten kürzer als 120ms, was dann auch nicht mehr wirklich wahrgenommen wird. Eibe kurze Unterbrechung gibt es aber, auch um das Drehzahlniveau anzugleichen. Es gibt auch Doppelkupplungsgetriebe, bei denen man die Unterbrechung spürt, z.b, das EDC im Clio RS, das braucht für einen Schaltvorgang auch immerhin 200ms aufwärts..
Wobei ich mich korrigieren muss, du hast dahingehend Recht: eine Zugkraftunterbrechung als solches gibt es natürlich nicht. Ich meinte den eigentlichen Schaltvorgang und im Artikel selbst mit „Zugkraftunterbrechung“ vor allem die Momentübergabe, die ja je nach Getriebe mal mehr, mal weniger gut gelingt. Habe das im Text oben mal korrigiert, danke!
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Hallo,
danke für den Aufschlussreichen Artikel! Es war sehr interessant, einen kritische Sicht zum GLA 45 AMG zu sehen, zusammen mit allen Daten die man brauchen kann um sich selbs eine gute Meinung zu bilden. So konnte ich echt gute Informationen finden! Gerade der Punkt des Platzes ist mir generell sehr wichtig, da kann er mich nicht sosehr überzeugen. Aber naja, er hat auch viele positive Punkte – also danke und weiter so!
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