Fährste quer, siehste mehr. Fährste richtig quer, siehste gar nix mehr. Zugegeben, die 90° Driftwinkel am Ende der engen Spitzkehre waren dann wohl doch ein wenig zu viel. Ausnahmsweise hat sich der 4-Liter-V8 mal als Turbomotor geoutet und mich mit seinem Drehmomenthammer überrascht. Denn, wenn im Drift aus fein dosiertem Schlupf an der Hinterachse völlige Eskalation wird, weil sich plötzlich eine 700 Nm große Drehmomentwelle aufbäumt, dann merkst Du mal wieder: unter der Haube blasen zwei Turbolader halt mächtig zum Kampf. Und: Du bist halt nicht Chris Harris.

Egal, all die Kurven davor hat es sich prächtig gut angefühlt, eine Kurve nach der anderen hier auf dem Circuito Ascari quer zu fahren. Um das vorweg festzuhalten: Reifenschreddern geht. Erst recht, dank der neuen Hinterachse, die dem Coupé im Vergleich zur Limousine unter das feine Blechkleid gezimmert wurde. Dort werkt nun eine sehr viel steifer gelagerte Raumlenker-Hinterachse, die noch dazu ordentlich in die Breite gewandert ist. Im Ergebnis wird der geplante Kontrollverlust noch progressiver, noch beherrschbarer, das Handling noch gutmütiger und das Auto – darauf kommt es ja schließlich an – noch mal schneller.

Reifen werden aber nicht nur an der Hinterachse geschreddert: hier auf dem besonders rauen Belag, bei sommerlichen Außentemperaturen, fordern 70 Kilogramm Zusatzgewicht nämlich vor allem an der Vorderachse ihren Tribut. Moment, 70 Kilogramm Zusatzgewicht. Gegenüber? Der AMG-Limousine. Ja, deren vermeintlich sportlicheres Derivat bekam ein paar Zusatzgewichte geschenkt. Vordergründig Versteifungen, welche insbesondere dem kommenden C-Klasse-Cabriolet zugute kommen sollen, aber auch dem Coupé bereits ganz gut stehen. 1,8 Tonnen Leergewicht sind es damit in der Summe, welche von den Michelin-Sportgummis überhaupt ersteinmal gegen die Masseträgheit eingefangen werden wollen. Dass die Pneus da nach 10, 14 Runden nur noch wenig Leistungsbereitschaft zeigen, wundert wenig.

Umso besser lässt sich aber die Wirkungsweise des elektronisch geregelten Sperrdifferenzials erfahren, welches im C 63 S an Bord ist. Kurve, einlenken, rantasten an den Grenzbereich, die Vorderachse schiebt. Wer jetzt einen sensiblen Gasfuß zu beherrschen weiß, kann sich wunderbar an den Bereich herantasten, an dem sich der Sperrgrad verändert. Das Untersteuern verschwindet weitgehend und du kannst wunderbar neutral aus der Kurve herausbeschleunigen. Und im Zweifel legt man das Gas halt noch 1-2 Zentimeter tiefer und macht aus neutral: quer.

An der Vorderachse fehlt es mit gequälten Reifen natürlich ein wenig an Feingefühl. Auf der Landstraße, mit nicht verheizten Reifen sieht das hingegen völlig anders aus. Mit kräftigem Gewicht und überraschend guter Rückmeldung verzahnt sich die nicht angetriebene Achse mit dem Asphalt. Was da vorne unter den mächtigen Kotflügeln abgeht, wird detailliert an die Fahrerhände weitergegeben. Nur ein bisschen direkter dürfte sie sein, etwas schärfer Einlenken. Das kann der bayrische Kollege mit dem M im Namen etwas besser.

Neue Sportsitze halten die Insassen dabei an Ort und Stelle. Warum deren Rückenlehne allerdings kaum ausreichend steil gestellt werden können? Eine Frage, auf die ich keine Antwort weiß. Darüberhinaus gibt es im Cockpit eben das, was die aktuelle C-Klasse so zu bieten hat. Feines Design, ein kräftiges Sportlenkrad und eine neue Version des Heads-Up-Display, das natürlich auf Wunsch auch allerlei fahrdynamisch relevanten Informationen anzeigen kann.

Natürlich wurde das Blechkleid ein wenig angefasst, um die zuvor erwähnten breiteren Achsen und die mächtigen Gummis unterzubringen. Und so geht es endlich mal wieder mächtig in die Breite. Je nach Perspektive scheint es, als wären die Kotflügel breiter als die Außenspiegel. Fraglos: wie das Mercedes-AMG C 63 S Coupé dasteht, hinterlässt es mächtig Eindruck. Zu rund, zu weichgelutscht, der Vorgänger war viel cooler? Ja, wie immer gilt: auf Fotos mag das stimmen. In der Realität aber sieht das neue Coupé so dermaßen böse aus, dass man sich ihm in eher respektvollen Schritten nähert.

Mercedes-AMG C 63 S Coupé (C 205)

Am Heck prangt zudem die vierflutige Abgasanlage. Natürlich wollen’s Axel und ich deftig und deshalb waren wir nur mit der Sportversion derselbigen unterwegs. Und die tönt: massivst! Der fett wummernde V8-Beat geht durch Mark und Bein – im wahrsten Sinne des Wortes. Jede Kurbelwellenumdrehung wird durch feine Bassresonanzen im ganzen Auto spür- und erlebbar. Klingt nicht mehr so, wie der alte Sechszweier-Sauger? Stimmt! Aber offen gesprochen: das ist gut so! Aus dem rein metallischen, manchmal, im Teillastbereich angestrengt klingenden Theater wurde ein warmes, kehliges, rotziges, bassiges Inferno.

Fazit

Also alles gut an der AMG-Front? Ohne Frage: dieses Mercedes-AMG C 63 S Coupé ist ein Monster. Ein kontrollierbares noch dazu. Und ein unterhaltsames. Fahrdynamisch macht das Coupé zur Limousine definitiv noch einen Schritt nach vorne und das Zusatzgewicht ist überraschend wenig spürbar. Trotzdem: 1,8 Tonnen tun im Petrolhead-Herzen weh. V8 hin oder her, denn der bayrische Reihensechser wiegt nur minimal weniger, als das V8-Herz im C 63. Die Karosse muss also abspecken! Mercedes, macht’s wie BMW mit dem M4 GTS und schenkt den reinen, bekloppten Petrolheads ein C 63 SL Coupé! Dann würde das “SL” auch im Sinne der “Sport Leichtbau”-Tradition wieder seinem Namen gerecht werden. Bis dahin drehe ich nur ein ganz kleines bisschen weniger verliebt meine Kreise im C 63 S Coupé. Quer.

Was andere über das neue Mercedes-AMG C 63 Coupé schreiben

Text: sb
Fotos: sb/Mercedes

Technische Daten

Mercedes-AMG C 63 S Coupé (C 205)

Motor-Bauart:
Biturbo-V8 mit innenliegenden Turboladern und Benzin-Direkteinspritzung
Hubraum:
3.982 cm³
Leistung:
375 kW / 510 PS bei 6.250 U/Min
Drehmoment:
700 Nm bei 1.750 – 4.500 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
250 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
3.9 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
k.A. L / k.A. L / 8.9 L SuperPlus (ROZ 98)

Grundpreis Mercedes-AMG C 63 S Coupé (C 205):
86.097
Testverbrauch:
22.4 Liter / 100 km über 174 km
Leergewicht:
1.800 kg
Max. Zuladung:
360 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.750 mm / 1.877 mm / 1.402 mm

Disclosure zur Transparenz

Ich wurde von Mercedes nach Malaga, Spanien eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Mercedes übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

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