Mit bärigem Durchzug beschleunigst Du vom Scheitelpunkt weg. Maximale Traktion, das Heck drückt nach außen. Reifen wimmern. Ein kurzer Impuls auf’s Bremspedal, Einlenken in die große Rechts und Feuer! Gummi löst sich in Rauch auf, der Asphalt wird um einige Schichten französischen Gummis dunkler und ein Kompaktwagen kommt quer ums Eck, wie es ein Kompaktwagen eigentlich gar nicht tun dürfte – bis Ford sich dachte, mal eben alles anders zu machen und den Ford Focus RS auf die Räder gestellt hat.

Ford Focus RS Mk3 - Nitrous Blue (Marcel Langer Photography)

„Du willst gar nicht mehr aussteigen, es ist dein Wohnzimmer, dein Hobbyraum und Spielzimmer aus der Kindheit zugleich, und wenn du die Tür doch hinter dir zuschlägst, blickst du grinsend zurück, nicht weil da ein extrem cooles Auto steht, sondern weil du deine große Liebe gefunden hast während deine Traumfrau genervt Zuhause wartet und vermutet, dass du fremdgehst.“
Stefan auf MANCVE.com über den neuen Focus RS

Es ist fraglos ein feines, goldenes Zeitalter, in dem wir leben. Auch wenn am Stammtisch gern kolporiert wird, Autos würden ja immer langweiliger, perfekter, emotionsloser und überhaupt, fährt ja eh alles immer mehr von von selbst. Schön, mag sein. Bei aller Polemik wird aber gern unter den Asphalt gekehrt, dass uns die letzten Jahre Geräte wie einen Cayman GT4, einen McLaren P1 und Kompaktwagen beschert haben, welche die Nordschleife in unter 8 Minuten umrunden. Kompaktwagen, welche trotz nur einer angetriebenen Achse, der falschen obendrein, so manchen, nur wenige Jahre älteren Sportwagen aussehen lassen, wie Mutti Merkel, wenn es um VR-Brillen geht.

Revo-Knuckle, ISAS, tüchtiger Sperren und Semislicks sei Dank haben Seat, Renault oder Peugeot zuletzt als frontgetriebene Hot Hatches die Fahrspaß-Speerspitze gebildet. Sie alle können’s richtig gut und das trotz (oder gerade dank) der nur angetriebenen Vorderachse. Schaut man dagegen ins Regal der Allrad-Kompaktsportler, haut es einem die Zahlen gerade so um die Ohren: fast 400 PS, unter 5 Sekunden auf 100 km/h. Willkommen in einer Leistungsgesellschaft, eisern dominiert von der deutschen Premium-Fraktion. Nur: toll lesen sich diese Datenblätter für all die Fahrer, die kein gesteigertes Interesse an Fahrdynamik haben. Denn Spaß, das machen sie alle schon irgendwie, aber halt eben nicht so richtig. Nicht, wenn du Auto fährst des Fahrens wegen. Wenn der Weg das Ziel ist. Wenn Du den Hoonigan raushängen lassen willst. Oder wenn Du mit der Rundenzeitenfeile an jeder Zehntelsekunde arbeitest – oder einfach nur zum Spaß auf dem Track unterwegs bist.

Und eben genau das war meine größte Sorge, als Ford den Focus RS mit Allradantrieb ankündigte. Was war ich für ein naiver Kleingeist! Denn wie die Eröffnungsszene bereits beschreibt, macht das von Zulieferer GKN stammende Allradsystem im Focus RS richtig Alarm. Überhaupt: wie das Ding einlenkt glaubst Du nicht. Das Stammhirn bereitet Dich, aus all Deiner Hot Hatch Erfahrung heraus, auf seichtes Untersteuern vor. Die Vorderachse? Die ignoriert einfach, dass sie einen Kompaktwagen dirigiert, verbeißt sich im Asphalt, wie ein wildgewordener Terrier in den Waden seines Opfers und treibt die ganze Fuhre stattdessen wie verrückt in die Kurve. Genau dorthin, wo Du es willst.

Du verarbeitest innerlich noch diese Einlenküberraschung, legst leicht Gas an, um den RS unter Zug zu halten und sanft dem Äußeren des Kamm’schen Kreis anzunähern. Zack, wieder Betriebsstörung im Hirn. Wieder vermeldet das Nervensystem Signale, die einfach nicht stimmen können. Der Popometer meldet dem Kleinhirn was von Übersteuern, während das Großhirn sich verweigert, steif und fest behauptet, „Das kann nicht sein!“. Doch, kann es. Keine magische Sperre, die ihr Voodoo an der Vorderachse verrichtet und den Karren „reinzieht“, sondern eine Hinterachse, die immer ein wenig mehr Drehzahl macht, als die Vorderachse – 1.8 % nämlich – und das Ding hineinschiebt – von hinten! „Nur Kutschen werden gezogen“ und so, ihr kennt die Sprüche.

Ford Focus RS Mk3 - Nitrous Blue (Marcel Langer Photography)

Da sitzt Du dann breit grinsend in den feinen Recaro-Seriensitzen und bist völlig perplex. Denkst, Du hast schon alles gefahren, versuchst den Focus da irgendwo in deiner Sportwagen-Landkarte zu verorten und musst aller vorausgehenden Rennstrecke-Hoonerei zum Trotz festhalten: das Ding fährt, wie nichts, was Du zuvor bewegt hast. Fährt auf gar keinen Fall wie ein Fronttriebler. Fährt auch nicht, wie ein Hecktriebler. Und ganz und gar nicht, wie all die Allradler, die ihren Zusatzballast definitiv nicht der Querdynamik wegen an Bord haben.

„Drift-Modus aktiviert, eingelenkt, voll auf den Stempel und 15 Sekunden lang fallen 470 Nm über die 235er Michelin an der Hinterachse her. Die Fuhre geht quer, Lenkung leicht auf und von da an verteilt der Drift-Assistent die Leistung. Wer jetzt nicht völlig Talent frei am Lenkrad agiert, der lässt den Focus RS stundenlang im Kreisverkehr quer gehen. Alternativ bis zum rauchigen und stinkenden Ende des französischen Gummis.“
Bjoern auf mein-auto-blog.de

Eine Sammlung von Kupplungen macht dieses Meisterwerk erst möglich: eine Kupplung verteilt das Drehmoment zwischen Vorder- und Hinterachse. Betätigt wird sie elektronisch, was gegenüber der Haldex-Konkurrenz einen entscheidenden Vorteil bedeutet: Denn während Du dort erst untersteuernd neben die Idealline rauschen musst, bevor die Hydraulik eingreift und Kraftschluss nach hinten ermöglicht, kann das elektronische System proaktiv regeln. Wenn der Focus RS mittels Sport- oder Rennstreckenmodus scharf geschaltet ist und Du wie ein bekloppter anbremst, hat die Elektronik dein grobes Verhalten längst durchschaut und weiß beim Einlenken bereits, dass du die Kraft an der Hinterachse haben willst.

Hier, an der Hinterachse, kommt dann noch mehr Magie ins Spiel: zwei Kupplungen verteilen die Kraft auf die beiden Antriebswellen. 100% hinten links oder hinten rechts – völlig egal. Was das Rad dank dynamischer Radlastverteilung mehr zu leisten bereit ist, wird ihm auch anvertraut. Damit ist die Leistung dort, wo sie doppelt sinnvoll ist: erstens an dem Rad mit dem höchsten Gripniveau, zweitens dort, wo ein der Fahrdynamik sehr förderlicher Drehimpuls erreicht wird. Torque Vectoring nennt man das und im Gegensatz zu all den halbgaren Systemen, die selbiges per Bremseneingriffen am inneren Rad zu simulieren versuchen, funktioniert es hier wirklich. Ja, der Focus RS bemüht sich solcher Bremseingriffe ebenfalls an der Vorderachse, da aber genug Theater an der Hinterachse stattfindet, reicht das auch völlig aus.

„Denn eben genau darum ging es Ford: Fahrspaß. Und den hast du eben nicht, wenn es nur im Haudrauf-Modus digital um die Biegung geht, sondern wenn alles cremig, locker und leicht so ein bisschen entgleitet.“
Fabian Mechtel im Technik-Artikel zum Focus RS auf radical-mag.com

Auch die übrigen Zutaten haben die Köche in der Ford Performance Abteilung feinstens abgeschmeckt: die Lenkung bringt gerade so das richtige Feel mit, hat das richtige Lenkgewicht und ist schön direkt übersetzt. Torque Steer, klar, tritt auch hin und wieder auf. Das Drehmoment wird aber eh in der Regel hinten eingesetzt, so dass die Vorderachse recht entspannt unterwegs ist, ergo braucht’s auch keine Revo Knuckle mehr. Sicher, für die Gummis ist das harter Tobak, egal ob nun mit den serienmäßigen Michelin Pilot Super Sport oder den optionalen Semis Michelin Pilot Sport Cup 2. Das schwarze Gold muss richtig leiden, erst recht, wenn man die ganze Zeit im Drift-Modus um die Ecken peitscht.

Ford Focus RS Mk3 - Nitrous Blue (Marcel Langer Photography)

Dazu wütet unter der Haube ein 2,3-Liter-EcoBoost-Vierzylinder – man kennt ihn bereits aus dem Ford Mustang – der noch einmal mächtig aufgepumpt wurde um 350 PS zu mobilisieren. Ist den Jungs und Mädels auch noch wenige Monate vor Projektende um die Ohren geflogen. Dass diese Probleme Geschichte sein sollten, zeigt allein der offene Umgang mit dem Thema – es wird nicht verschwiegen, sondern offen darüber geredet, dass man hier eine Kiste gänzlich verrückt voll auf Anschlag gebracht hat.

Und von der etwas müden Spitze des Drehzahlbereiches mal abgesehen, ist der Motor ein feiner Freudenspender mit einer fleischigen, saftigen Mitte und gutem Ansprechverhalten. Höre ich wieder das Stammtischgejammer, dass der Block einen Zylinder lassen musste? Schmeißen wir halt den Mittelschalldämpfer weg, hat man sich bei Ford als passende Antwort darauf überlegt und lässt den Focus RS röhren, knattern und bollern, wie ein World Rallye Car auf Wertungsprüfung – erst recht in der Launch Control. Und soviel kann ich euch aus dem direkten Vergleich versichern: Der Fünfzylinder – das fliegende Spaghettimonster habe ihn selig – kann mit seiner fein gurgelnden Zündfolge ohne Aftermarket-Spielerei nicht gegen den neuen anbrüllen

Ohne jeden Zweifel: soviel puren Sex verkörperte noch nie ein kompakter vor ihm und da wundert es mich auch nicht wenig, wenn Stefan von MANCVE.com (sprich: „Man Cave“) vom RS dauererregt wurde. Gut, mehr Sex wäre rein äußerlich schon noch machbar gewesen: der Mk2-Breitbau ist Geschichte, ebenso wie die sportlicher anmutende Dreitürigkeit. Ein Megané RS Trophy-R steht da schon eine Spur stattlicher, breiter und wuchtiger dar. Doch die Front … diese Front! Kühlöffnungen noch und nöcher. So mächtig, dass sie gleich einen ganzen Fiesta verschlingen könnten. Alles Show und Shine? Mitnichten. Allein der überdimensionale Ladeluftkühler erstickt derlei Vorwürfe im Keim. Daneben liegen mächtige Luftöffnungen, welche den Brembos ausreichend Frischluft zuschaufeln sollen.

Das funktioniert soweit auch ganz gut, über Fading lässt sich nicht klagen. Das Bremspedal wird dennoch weich, der Pedalweg lang. Auf der Rennstrecke weniger, auf der Landstraße, wenn man auf seinen Hausstrecken im Schwarzwald unterwegs ist, die mit ihren Mini-Gerade eigentlich keinerlei Kühlphasen erlauben, wird es dann doch etwas deutlicher, sodass Heel’n’Toe kaum noch möglich wird – zu tief sinkt das Pedal ein. Zugegeben: es ging halt auch hart zur Sache und auf der Nordschleife sollte es auch bis nach Breidscheid runter keine Probleme geben. Falls doch: Stahlflex ist dein Freund!

Apropos Knocking-on-Heavens-Door-Modus: hier liegt der größte Unterschied zum geliebten Megané RS. Denn der beginnt auf der Landstraße erst in diesem schmalen Fenster, in dem Du gerade noch so glaubst, die Kontrolle zu haben, eigentlich aber schon mit einem Fuß über die Schwelle der Himmelspforte bist, wirklich Spaß zu machen. Der Focus RS ist da entspannter. Er kann sich auf eine Wertungsprüfung einlassen, macht aber auch schon auf der Gleichmäßigkeitsprüfung Spaß. Du musst ihn nicht bei den Hörnern packen, sondern kannst auch schon beim entspannten Gassigehen sein fahrdynamisches Potenzial erfahren. Überhaupt kannst Du ihn auch entspannt und stressfrei bewegen, die Dämpfer auf Komfort trimmen und am nächsten Kreisverkehr einfach wieder den Drift-Modus einwerfen.

Und die sonstige Konkurrenz? Sicher, in einem Audi RS 3 ist alles vom Feinsten. Er kostet eine ganze Stange mehr Geld und lässt Dich das im Cockpit auch jederzeit spüren. Auf der Strecke wirst Du mit ihm allerdings nie so schnell – viel wichtiger aber: glücklich – sein. Ein RS3-Treiber wird nie verstehen können, wie ein Ford-Fahrer so breit grinsend aus dem Cockpit klettern kann. Nein, fahrdynamisch können sie alle einpacken gegen diesen RS. Und sollte es trotzdem so sein, dass einer der anderen eine Zehntel mehr herausholt: dieses Fahrspaß-Niveau, das kann Dir kein anderer bieten.

Gefühlt schon bei der Performance, erst reicht beim Fahrspaß fährt der Focus RS mal eben Kreise um die Konkurrenz – quer. Der Focus RS ist der neue Endgegner der Hot Hatches.

Ford Focus RS Mk3 - Nitrous Blue (Marcel Langer Photography)

Text: sb
Fotos: Marcel Langer für MANCVE.com und passion:driving

Technische Daten

Ford Focus RS

Motor-Bauart:
Reihen-Vierzylinder mit Abgasturboaufladung, DOHC und Direkteinspritzung
Hubraum:
2.261 cm³
Leistung:
257 kW / 350 PS bei 6.000 U/Min
Drehmoment:
440 Nm bei 2.000 – 4.500 U/Min
Höchstgeschwindigkeit:
266 km/h
Beschleunigung (0-100 km/h)
4.7 Sekunden
Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
10 L / 6.3 L / 7.7 L E10 (ROZ 95)

Grundpreis Ford Focus RS:
40.000
Testverbrauch:
24.3 Liter / 100 km über 130 km
Leergewicht:
1.529 kg
Max. Zuladung:
496 kg
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
4.390 mm / 1.823 mm / 1.470 mm

Disclosure zur Transparenz

Ich wurde von Ford nach Rheinmünster eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Ford übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.

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Autor

Gründer und überwiegender Texter hinter passion:driving. Leidenschaftlicher Car-Nerd, immer auf der Suche nach dem Rande des Kammschen Kreises und viel zu häufig auf irgendwelchen Rennstrecken unterwegs. Anglophil veranlagt, liebt britische Sportwagen und fährt eine Lotus Elise S1, um das eigene, eher nachteilige, Leistungsgewicht wieder auszugleichen. Neben passion:driving schreibt er als freier Autojournalist (Mitglied im Verband der Motorjournalisten) auch für die heise autos und andere Publikationen.

53 Kommentare

  1. Ist ja alles ganz nett, aber wer braucht das schon. Ein Freund aus dem Motorsport fährt mit seinem alten alltagstauglichen Kampfescort Kreise um den hier. Finde das Vergleiche Alt gegen Neu sowieso hinken und letztendlich solche Autos sowieso sich am besten nur die kaufen die damit auch umgehen können. Letztendlich habe ich mit meinem 3Türer Sierra Cossworth, mit 580PS, eh mehr Spaß und unbedingt mehr verbrauchen tut er auch nicht als dieser! Die vielen Türen finde ich auch grausam und zerstören für meinen Geschmack das Design des RS Focus und meine Laune darauf, ansonsten ist der ganz passabel zu Fahren.

    Klar, wer nur Geld hat und keine Ahnung von Technik

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