Ein wenig hat es ja schon gedauert, bis ich ihn endlich fahren durfte. Einige Monate sind ins Land geflogen, bevor ich endlich auch hinter dem Steuer des Honda Civic Type R sitzen durfte. Jetzt ist’s gar schon ein wenig spät, denn just diese Woche feiert sein Nachfolger die Europapremiere auf dem Genfer Automobilsalon. Macht aber nichts. Denn neu wird der neue vor allem bei der Optik und der Infotainmentausstattung.
Wir Hot Hatch Fans dürften über die aktuelle Marktsituation eigentlich verhältnismäßig glücklich sein: Megané RS, Clio RS, Focus RS, Cupra 290, GTI Clubsport und Clubsport S … es gibt genug Auswahl für’s Herz. Nur: optisch wird’s alles irgendwie etwas ruhiger. Soll ja alles schön gefällig sein. Und überhaupt: Weltauto und so, Dreitürer kauft doch eh niemand mehr. Und das macht sich für uns in etwa so bemerkbar: wo der MK2 Focus RS mit seinem Stierkragen und den Muckis noch jedes Hemd reissen ließ, ist der neue halt mehr so der Buchhalter, der seine mühsam im Fitnesstudio antrainierten Muskeln unter dem Jackett versteckt.
Nichts für Understatement-Freunde
Vorweg: auch der Civic Type R ist nur als Fünftürer erhältlich. Doch mit einem Trend bricht er ganz deutlich: er trägt seine Muskeln offen zu Schau. Ein Flügeltier, wie wir sonst nur den WRX STi kennen, dicke Radhausverbreiterungen und eine Abgasanlage, deren Ein-Rohr-Pro-Pott-Taktik wohl auch etwas zu viel sein könnte. Es verlangt schon ein wenig Willenskraft vom Piloten, sich in diesen „Weniger-ist-mehr“- und „Bloß-nicht-auffallen“-Zeiten derart geschminkt auf’s Parkett zu schwingen. Er ist halt niemand, der jedem gefallen will, sondern einer, der jemanden will, dem er gefällt.
Und offen gesprochen sind all das Lametta und der Kajal sind schon ganz fein und genau das, was wir in der Klasse mal wieder brauchten. Nur mit der Civic-Silhouette insgesamt werde ich einfach nicht so ganz warm. An dieser Stelle klar: Ich freue mich auf die neue, zehnte Generation.
Wenn Honda seit jeher allerdings eines richtig macht, dann ist es vor allem die Verarbeitung im Innenraum. Ich bin immer wieder überrascht, wie satt bei einem Honda die Türen schließen, wie fein verschiedenen Oberflächen zusammengefügt werden und wie angenehm sich die verwendeten Materialien anfühlen. Die Sitze sind ergonomisch zudem ein Genuss und die Sitzposition passt wunderbar zum sportlichen Auftritt: angenehm tief und gut gestützt sitzt man da in Civics Schoß.
Das Cockpit erinnert bisweilen mehr an die Enterprise, denn einen japanischen Kompaktsportler: Alles ist auf den Fahrer zugerichtet, neben schöner, schlichter Rundinstrumente gibt es dann noch den oben abgesetzten digitalen Tacho inklusive Schaltblitz. Motorsport lässt grüßen. Das Infotainment und der Bordcomputer dagegen sind hoffnungslos veraltet. Macht aber nix, die neue Generation ist ja ohnehin schon im Anmarsch. Sicher, irgendwie hat das Cockpit so den üblichen Japano-Chic, mich persönlich stört das allerdings kaum.
Drehmomentkeule statt Möchtegern-Sauger
Schon gar nicht bei den gebotenen Fahrleistungen. Das fängt schon beim Motor an. Klar, bei 310 PS darf man ein wenig Vortrieb erwarten. Es ist aber vor allem das „wie“, das den Civic Type R so besonders macht. Turbomotoren, die einen auf Sauger machen? Schuldig! So ein wenig zumindest, gerade obenherum. Doch begeht der Type R nicht den Fehler, auf Teufel komm raus eine lineare Charakteristik vorgaukeln zu müssen, wenn er doch so viel aufregender ein Turboschauspiel darbieten kann. Das beginnt so, dass er Dir erstmal eine prächtig dekorierte Drehmoment-Torte ins Gesicht klatscht, dann wie ein irrer Bulle die Drehzahlleiter emporreitet und dann auf dem Weg zur Spitze noch den ein oder anderen Drehmomentnachschlag serviert. Kurz: großartig!
Vor allem auch, weil das, was hier nun so roh und wild klingt, tatsächlich fein dosierbar ist. Am Ende entscheidet der Pilot immer noch selbst, wie sehr er die Vorderachse mit Antriebseinflüssen überfordern möchte. Aus dem Drehmomentbullen wird dann ein zartes Pony, wenn es der Fahrer so will. Und so kann man jederzeit im Kurvenverlauf ein Drehmomentscheibchen nach dem anderen servieren, bis dann – gut spürbar – der Übergang von der Haft- in die Gleitreibung stattfindet. Kommt es soweit, dauert es einen kurzen Moment, bevor die drehmomentfühlende Sperre zumacht und ein paar der Scheibchen ans kurvenäußere Rad verfüttert. Das funktioniert selbst im Nassen erstaunlich gut, im Trockenen aber gar ganz hervorragend.
Längs macht er sowieso eine gute Figur. Auch wenn alle technischen Daten dagegensprechen, fühlt sich der Motor deutlich fleischiger an, als etwa AMG-Vierzylinder im A45. Und das merkt man auch auf der Autobahn, wo der Civic beständig und fast schon gelassen auf seine 270 km/h Vmax zumarschiert. Dass er dagegen auch querdynamisch eine gute Figur macht, ist seinem Eigenlenkverhalten zu verdanken. Oder besser gesagt: dass er überhaupt eines hat, dass im von uns Petrolhead so gern gesehenen Bereich < 0 liegt. Soll heißen: Die Hinterachse ist nicht nur da, um den Hinterbau hinter der ganzen Fuhre herrollen zu lassen, sondern um selbst aktiv am Geschehen teilzuhaben. Und das heißt hier, wo wir statt einem GKN'schnen Allradwunderwerk nur eine angetriebene Achse haben, dass diese nicht angetriebene Achse eher beweglicher Natur ist. [gallery type="rectangular" link="file" ids="9859,9858,9854"] Stich einfach in die Kurve ein, dirigiere die Fuhre mit der präzisen Lenkung dorthin, wo Du sie haben willst und lass sie einfach treiben. Wie von Zauberhand geht jedesmal das Heck so en bisserl fein mit, dreht den ganzen Hobel leicht ein. So macht das auch ein Megané RS und das war einer der Schlüssel zu seinem Hot-Hatch-Ruhm. Und der Type R kann's eben auch. Nur nicht ganz so brachial, so plötzlich, sondern etwas progressiver und beherrschbarer.
Eine Schaltung wie ein Gedicht
Und dann sind da noch die zwei haptischen Komponenten, die den Type R sozusagen die Kirsche aufsetzen. Das offensichtlichste ist sicherlich die manuelle Schaltung. Ihr kennt meine Meinung hier vielleicht: ich kann das ganze Geschreie um manuelle Getriebe nicht verstehen. Die meisten Autos sind so langweilig, ihre Schaltboxen so dröge, dass es mir herzlich egal ist, ob ich nun in einer Gulschkanone herumrühe oder lieber mit einem DSG die Wellen verwalte. Fahrzeuge, wo Schalten noch wirklich Schalten ist, wo eine emotionale Verbindung zwischen Mensch und Maschine entsteht, gibt es ohnehin nur noch ganz wenige.
Der Civic Type R ist einer von ihnen und es ist eine manuelle Schaltbox, wie man sie sonst irgendwie immer nur bei den Japanern findet: ein echter Alu-Schaltknauf, kurze Wege, präzise Gassen. Jeder Gangwechsel fühlt sich so knackig, so präzise und mechanisch an, dass Du jedes Mal im Kopf ein Magazin in einem Gewehr nachlädst. Klack, klack, klack! Dieses präzise Einrasten der Gänge ist einfach einmalig und Benchmark bei den Hot Hatches. Da wäre dann aber auch noch die Pedalanordnung. Die feinen Aluminiumpedale sind nämlich so platziert, dass auch Heel’n’Toe damit möglich ist, was – mal so ganz am Rande – auch dank des spontan ansprechenden Motors wunderbar funktioniert.
Fazit
Kurzum: in allem was wesentlich ist, ist der Civic Type R eine Granate. Er reicht fahrdynamisch nicht ganz an den Megané RS heran, ist kein ganz so abgedrehter Hoonigan, wie der Focus RS. Doch die Performance, die er auf’s Parkett schmettert ist nicht weniger beeindruckend. Er ist ein präzises Sportgerät, dass eine besondere Verbindung zwischen Mensch und Maschine schafft, wie sie der Megané nicht ganz zaubern kann. Der Focus, der sich anfühlt, wie ein beräderter Driftcomputer ohnehin nicht.
Dazu kann der Civic mit Alltagsqualitäten punkten, die sonst wohl nur die VAG-Hatches oder der 308 GTi toppen können – sofern man denn die Finger vom R-Schalterchen im Civic lässt, welches die Dämpfer so ungnädig hart stimmt, dass man nach jeder Fahrt über Eifellandstraßen gefühlte 2 Zentimeter Körperlänge eingebüßt hat.
Selten war für mich das Bild außerhalb des Megané so stimmig, wenn es um einen Hot Hatch geht. Was der der Civic Type R dem Franzosen vorweg hat: seine Zugänglichkeit, seine Nutzbarkeit. Den Civic kannst Du immer genießen, auf jeder Straße. Du musst nicht erst aus der nächsten Etappe eine Wertungsprüfung machen, um seine Vorzüge zu genießen.
Text: sb
Fotos: sb
Wertung
- Fahrdynamik: 8
- Fahrspaß: 8
- Sound: 5
- Verarbeitung: 7
- Komfort: 5
- Ausstattung: 4
- Verbrauch: 5
- Preis/Leistung: 7
- Persönliche Anziehungskraft: 7
Technische Daten
Honda Civic Type R GT 2.0 VTEC Turbo
- Motor-Bauart:
- 2.0 VTEC Turbo
- Hubraum:
- 1.996 cm³
- Leistung:
- 228 kW / 310 PS bei 6.500 U/Min
- Drehmoment:
- 400 Nm bei 2.500 – 4.500 U/Min
- Höchstgeschwindigkeit:
- 270 km/h
- Beschleunigung (0-100 km/h)
- 5.7 Sekunden
- Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
- 9.4 L / 6.1 L / 7.3 L E10 (ROZ 95)
- Grundpreis Honda Civic Type R GT 2.0 VTEC Turbo:
- 35.350 €
- Testfahrzeugpreis:
- 38.370 €
- Testverbrauch:
- 10.1 Liter / 100 km über 2.217 km
- Leergewicht:
- 1.378 kg
- Max. Zuladung:
- 247 kg
- Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
- 4.390 mm / 1.878 mm / 1.466 mm
Disclosure zur Transparenz
Das Fahrzeug wurde mir freundlicherweise von Honda für den Test zur Verfügung gestellt. Der Test erfolgte unabhängig. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.