Die Tachonadel krazt an die 300er Marke, der 11er vor uns setzt den Blinker rechts, gibt die linke Spur frei. Das “S” hinter dem Carrera nützt nicht viel. Denn während sich der freisaugende Boxer mühsam den Weg richtung Vmax hinaufkämpfen muss, rennt unser 605-PS-Monster bis 305 km/h, um dort vom elektronischen Begrenzer eingefangen zu werden. Soll heißen: was der Zuffenhausener mühsam ausquetscht, schüttelt der Ingolstädter dank jüngster Leistungskur lässig aus dem Ärmel: willkommen im Audi S8 plus.
Und sogleich pflichte ich dem Leser bei, der nun kopfschüttelnd vor dem Monitor sitzt: nein, eine solche Über-Limousine braucht kein Mensch. Aber man will sie. Unbedingt! Völlig egal, wie groß die Verachtung solcher Leistungsmonster jenseits der 2-Tonnen-Marke ist. Denn, wenn Physik so deutlich spür- und erlebbar wird, dass es einem sämtliche Organe in den Rücken presst, sind Dir Gewichtsangaben auf dem Datenblatt ziemlich egal.
Beware of the Masseträgheit
Im Hinterkopf behalten sollte man sie allerdings schon. Denn hier, auf der dicht befahrenen A5, die uns von Frankfurt in Richtung Darmstadt führt, ist eine an die 300er-Marke kratzende Tachonadel freilich die absolute Ausnahmesituation – zumindest tagsüber. Auch wenn sich der Elfer (hier übrigens der Fahrbericht zum 911 GT3) eben nach erfolgreicher Vollstreckung auf die mittlere Spur zurückgezogen hat, tun sich genug rollende Hindernisse auf. Und mal ganz unter uns: 300 braucht im Berufsverkehr niemand. Folglich sollte man sich der Masse von mindestens 2.065 Kilo (exklusive Sonderausstattung) durchaus bewusst sein. Denn: was beschleunigt wie ein Supersportwagen, lässt sich aller Keramik zum Trotz nur schwerlich einfangen. Ja: die im S8 plus serienmäßigen Keramikstopper beißen gewaltig zu, doch viel Masse fällt halt auch der Masseträgheit zum Opfer.
S8 plus – Massage bei 305 km/h
Erstaunlich ist es allerdings schon, wie es im Audi S8 plus zugeht, wenn man sich an den Horizont beamt. Da ist dieser feine, edle und schlichte Innenraum. Alles klar strukturiert und aufgeräumt. Das alles ist so klar, so gradlinig – in England würden sie sagen: so typisch deutsch. Verspielt ist hier sicher nichts, aber kühl, edel und funktional – und gerade dadurch irgendwie wieder: cool. Und dann lässt man sich gemütlich die Wirbelsäule kneten, während unter der Haube ein durch zwei Turbolader entfachtes Inferno eine Krümmung der Raumzeit zu erreichen versucht. Akustisch kommt davon nun kein Gänsehaut erzeugendes Theater an, doch präsent ist der Maschinenraum in jedem Fall.
Bassig und sonor wummert der V8-Takt durch den Innenraum und die überarbeitete Sportabgasanlage sorgt dafür, dass die Akustik auch spürbar wird. Aus dem Heck wirkt die Abgasanlage wie ein Subwoofer, paart sich mit einer feinen Note aus Turbofauchen und dumpfen Donnergrollen. Bei Schaltvorgängen schnaubt das Monstrum kurz und kräftig, gibt somit auch auf der Tonspur klar Zeugnis davon, dass hier eine Wandlerautomatik am Werk ist, welche mit Wandlerüberbrückung und kurzer Zündunterbrechung ihre sportliche Pflicht erfüllt.
Die Maßnahmen, mit denen das erstaunliche “plus” von 85 PS gegenüber des “Basis-S8” erreicht wurde, klingen hingegen weit weniger spektakulär: Ein wenig mehr Ladedruck hier, etwas mehr Drehzahl. “Nur Software” macht Physik so beeindruckend erlebbar. Lediglich mit etwas überarbeiteten Auslassventilen, sowie leicht optimierter Innengeometrie der im “heißen V” liegenden Turbolader (so wie auch im neuen 4-Liter-Biturbo-V8 im C63), wurde etwas an der Hardware verändert.
Florettsilber – Aus Flächen werden Formen
Und so dick, wie der bis zu 750 Nm große Drehmomenthammer unter der Haube auch ist, trägt er nach außen gar nicht auf: sicher, gänzlich unspektakulär steht so ein S8 nie da, ob mit oder ohne plus. Die schärfste Ausbaustufe zieht mehr mit ihren subtilen Details in ihren Bann. Etwa in Form der vier glänzend schwarzen Endrohe, der optionalen Carbon-Spoilerlippe auf dem Heckdeckel, dem komplett schwarz-glänzenden Kühlergrill, die unfassbar schönen plus-exklusiven 21-Zöller oder der – ebenfalls plus-exklusiven – Matt-Metallic-Lackierung Florettsilber. Ernsthaft: da stehst Du vor dem S8 plus und denkst dir: ist ja ein A8. Und dann findest Du doch immer wieder neue Sicken, Furchen, Kanten, welche seine optische Präsenz immer mehr unterstreichen. Wie diese Farbe solche Details betont – unvorstellbar. Wie sehr man plötzlich auf solchen Linien hängenbleiben kann – noch unvorstellbarer.
Umso erstaunlicher, wie es Audi geschafft hat, mit diesem letzten Sahnehäubchen auf der auslaufenden A8-Baureihe deren Attraktivität so kurz vor Schluß noch einmal zu steigern. Und wie sich nun die Masse im kurvigen Geläuf schlägt? Keine Ahnung. Wirklich nicht. Möglichkeit das herauszufinden gab es im knappen Tageszeitplan leider nicht. Doch unter uns: interessiert es wirklich jemanden? Auf der einen Seite haben wir es hier mit einem nicht gerade leichten Luxusliner zu tun. Auf der anderen Seite: wirklich leichter ist so ein RS 6 Avant an und für sich auch nicht. Und mal Hand auf’s Herz: so ein Audi S8 plus, das ist doch ohnehin mehr der geradlinige Typ, oder nicht?
Text: sb
Fotos: Werk/Tobias Sagmeister für Audi
Technische Daten
Audi S8 plus 4.0 TFSI quattro tiptronic
- Motor-Bauart:
- V8-Zylinder-Ottomotor mit Aluminium Zylinderkurbelgehäuse und Benzindirekteinspritzung, DOHC, zwei Twinscroll-Abgasturbolader, zwei Ladungsbewegungsklappen, bedarfsgeregeltes Hochdruck- und NiederdruckKraftstoffsystem, cylinder on demand, indirekte Ladeluftkühlung
- Hubraum:
- 3.993 cm³
- Leistung:
- 445 kW / 605 PS bei 6.800 U/Min
- Drehmoment:
- 700 Nm bei 1.750 – 6.000 U/Min
- Höchstgeschwindigkeit:
- 305 km/h
- Beschleunigung (0-100 km/h)
- 3.8 Sekunden
- Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
- 13.7 L / 7.9 L / 10 L SuperPlus (ROZ 98)
- Grundpreis Audi S8 plus 4.0 TFSI quattro tiptronic:
- 145.200 €
- Leergewicht:
- 2.065 kg
- Max. Zuladung:
- 525 kg
- Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
- 5.147 mm / 1.949 mm / 1.458 mm
Disclosure zur Transparenz
Ich wurde von Audi nach Frankfurt am Main eingeladen. Reisekosten und Verpflegung wurden von Audi übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.
51 Kommentare
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Kai Rückle
Sollte man ja mal glatt probe fahrn?
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Man könnte meinen du bist geschrumpft 😀
Da dominiert man die linke Spur:selig die Armen im Geiste.
Und arm die ewig-ernsten.
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Die Heckpartie gefällt mir – sie hebt sich von den anderen Audi-Modellen nicht zu sehr ab, sieht aber trotzdem sehr modern und edel aus. Da würde wohl keiner eine Probefahrt abschlagen können.
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