Was viele Leute falsch verstehen: Thrash Metal ist nicht Trash Metal. Letzteres gibt es eigentlich gar nicht. Obwohl ich der Meinung bin, dass die 1980er Jahre eine ganze Menge eben davon hervorgebracht haben, hauptsächlich bestehend aus einer ungesunden Menge Haarspray und noch viel mehr Schminke . Thrash Metal dagegen bedeutet: Kräftig draufprügeln, vom Englischen „to thrash“ eben. Auf Audi hat man (und ich auch) ebenfalls eine ganze Zeit lang eingeprügelt, denn fahrdynamisch war es bisher – vor allem, wenn eine Haldex die Momente dirigieren sollte – meist nicht der Weisheit letzter Schuss. Doch das soll nicht der Grund sein, weshalb ich die neue Audi RS 3 Limousine als „Thrash Metal“ überschreibe…
Um verständlich zu machen, worauf ich hinaus möchte, setzen wir uns doch kurz ans Steuer des Audi RS 3 vor der Modellpflege: Wir sind in Vallelunga, fliegen auf die erste Rechts-Links-Rechts-Kombination zu. Kräftig den Anker werfen, Einlenken nach rechts und jetzt möglichst den Lastwechsel nutzen, um das Heck geschmeidig in Bewegung zu setzen. Doch es passiert: nichts. Stattdessen fleht die Vorderachse um Erbarmen und verlangt von den überbreiten Gummis mehr, als sie an Seitenführungskraft überhaupt übertragen können.
2 Jahre später sitze ich hier in der Audi RS 3 Limousine. Statt der Rennstrecke Vallelunga habe ich die großzügig langgezogenen Serpentinen des Dhafor-Gebirge vor mir. An Platz mangelt es nicht, sie sind so breit, dass man dort auch in einer Stretch-Limo zum Drifttraining antreten könnte. Entlang der Felswände donnert der RS 3 seinen Fünfzylinder-Tenor raus in die karge Wüste. Die Musik lässt sich schöner kaum spielen, so kennen wir es vom fantastischen Zweifünfer. Was wir dagegen nicht kennen, ist der unerwartete Schwenk, den das Heck beim Einlenken in die erste Serpentine zelebriert, bevor das ESP im Sport Modus mit einem dumpfen „Grmk“ davon kündet, beide Achsen wieder erfolgreich in eine Spur gebracht zu haben. Ein wenig ungläubig halte ich auf die nächste Serpentine zu. Das ESP wird dieses mal stummgeschaltet. Zu Recherchezwecken natürlich. Oder wegen der Sicherheit. Oder so.
Prügeln für die Wissenschaft
Der Linkimpuls von der Kommandobrücke kommt nun etwas forscher und das Schiff reagiert prompt: Mit einem großzügigen Ausfallschritt wirft sich der RS 3 in die Kurve, die Hinterachse weit ausladend. Glücksgefühle vermischen sich mit Ungläubigkeit. Das weckt nun endgültig den Hoonigan am Steuerrad. Die Stimmung auf der Kommandobrücke droht zu kippen, die Lage ist ernst. Will uns hier jemand verschaukeln? Seit wann erlaubt ein Audi solche Fahrmanöver? In der nächsten Rechts muss der RS 3 nun den endgültigen Beweis erbringen, ob er gerade nur so tut oder ob er auch wirklich kann.
Volle Konzentration, während auf der Geraden die dritte Welle bis zur letzten Umdrehung ausgeritten wird. Ein kräftiger Tritt auf die Bremse. Gerade so weit, bis statt „viel zu viel“ nur noch“ etwas zu viel“ Tempoüberschuss für die Kurve vorhanden ist. Runterschalten, zweiter Gang, leicht nach links anpendeln und mit ordentlich Schwung wird das Ruder nach rechts gerissen. Die Hinterachse holt so weit aus, wie Edmund Stoiber, wenn er den Transrapid zu erklären versucht. Die Vorderachse verbeißt sich im Asphalt und der Hoonigan auf der Kommandobrücke erteilt den Befehl zu voller Kraft voraus!
Was nun passiert ist nichts weniger, als eine kleine Audi-Sensation: Sich der Situation mehr als bewusst, hat die Haldex schon beim Einlenken geahnt, dass die Lage ernst ist. Die da oben auf der Kommandobrücke drehen gerade völlig durch und der Maschinenraum wird in Kürze in den Wahnsinn miteinstimmen. In vorauseilendem Gehorsam hat sie ihre Kupplung geschlossen, um 50% der Momente an die hinterhertänzelnde Achse zu verteilen. Satte 480 Nm Drehmoment fallen unmittelbar den gesamten Antriebsstrang her und halten den RS 3 in einem feinen Allraddrift. Ein paar Korrekturen am Lenkrad und der Tanz zieht sich über den gesamten Kurvenverlauf, bis der Fünfzylinder schließlich wild schnatternd vom Begrenzer an die kurze Leine genommen wird und das Schauspiel beendet. Euphorie macht sich breit und der Hoonigan gewinnt endgültig die Oberhand am Steuer. Jede Kurve wird nun noch spitzer, noch schärfer angefahren, der RS 3 mehr und mehr geprügelt und in jede Ecke hineingethrasht.
„Komm‘ schon, hau doch ruhig mal richtig auf die Kacke!“
Üblicherweise hätte dich ein RS 3 bisher untersteuernd zurückgepfiffen. So wie der Freund, der bei einer Unstimmigkeit in der Kneipe an deine Vernunft appelliert. „Komm schon, beruhige dich, wir können doch jetzt keine Eskalation gebrauchen.“ Doch der hier, glaubt mir, der ist anders: er steht direkt hinter dir, feuert dich an, spendet dir Applaus für jede weitere Provokation, nur um dann – wenn alles eskaliert – mit dir gemeinsam auf die Straße einzuprügeln. Je wilder du es treibst, der Straße mit der Flasche eins über den Hinterkopf ziehst und ihr Gesicht in die dreckige Pfütze vor dem Pub drückst, desto mehr belohnt er dich.
Der hier, der ist quattro. Er lässt urplötzlich wieder seine verloren geglaubten Gene durchblicken, weckt Erinnerungen an alte Tage und du fühlst dich wie Walther höchstpersönlich, während du den RS 3 wie im Rausch einer Wertungsprüfung untermalt vom seligen Fünfzylindersoundtrack den Berg hinauftreibst.
Alles nur gekauft
„Spinnt der Bauer jetzt eigentlich völlig?“, mag nun eure berechtigte Frage sein. „Erst straft er den RS 3 ab und nun lobt er eine simple Modellpflege in den Himmel? Die Sache ist doch glasklar: Während der erste RS 3 noch in Italien (tze, wie alltäglich!) vorgestellt wurde, wird Modellpflege im Oman vorgestellt. Die sind doch alle gekauft, sage ich!“ Doch lasst mich euch ein paar Hintergründe erläutern, sobald ich den letzten Stapel Geldscheine, die mich in meinem Hotelzimmer begrüßten, durchgezählt habe. Lasst mich euch erklären, warum die RS 3 Limousine – obwohl ja eigentlich nur ein Facelift mit gestuftem Heck – plötzlich so kann, wie sie kann. Ich schreibe dabei auch garantiert nicht von dem Zettel ab, der neben den Geldscheinen lag. Ich schwöre!
Einerseits wäre da, wie auch schon beim TT RS, der neue Fünfzylindermotor. Obwohl in Bohrung und Hub gleich, ist es ein komplett neues Triebwerk: das Kurbelgehäuse ist nun aus Aluminium, die Kurbelwelle hohlgebohrt (und damit 1 kg leichter), die Kurbelwellenhauptlager um sechs Millimeter kleiner und die Ölwanne aus Magnesium. Unter anderem dadurch wurden 26 Kilogramm dort eingespart, wo es ein Audi üblicherweise am nötigsten hat: beim dicken Masseklumpen, der ungeschickt weit vor der Vorderachse sitzt.
Hinzu kommt vor allem, dass man die Software zur Steuerung des Haldex-Systems gründlich überarbeitet hat. Über die Fahrdynamiksysteme des RS 3 quasi mit dem Nervensystem des Autos vernetzt, hatte sie zwar bisher auch schon alles da, was brauchen würde, um einen guten Job zu erledigen. Und doch war sie bisher mehr eine Beinprothese statt eines echten Körperteils. Wenn du stolperst, lässt sie dich nun nicht erst auf den Boden stürzen, um dir dann aufzuhelfen, sondern merkt schon vorher was los ist und hilft dir den Halt zu wahren. Dazu kommt eine insgesamt etwas spitzere Abstimmung und das weiter verbesserte Ansprechverhalten des Motors. Diese Änderungen machten sich bereits beim TT RS positiv bemerkbar, beim RS 3 ist der Unterschied gefühlt noch deutlicher.
„I want my money back!“
Nun, auch auf die Gefahr hin, dass morgen ein Abgesandter des Audi-Propagandaministeriums bei mir vor dem Haus steht und mit finsterer Stimme fragt, „Wo ist unser Geld?“, müssen wir bei all der Euphorie auch über die Straßenverhältnisse im Oman sprechen und die ganze Lobhudelei ein kleines Stückchen weit relativieren oder wenigstens in den gesunden Kontext setzen. Seid ihr im Winter schon mal plötzlich auf Glatteis gekommen? Ungefähr so fühlt es sich hier in so manchem Kreisverkehr an. Im Sommer freilich und auf trockener Straße. Die Straßen sind also bisweilen relativ glatt, was einem Haldexsystem fahrdynamisch grundsätzlich zugute kommt. Denn ist die Kupplung voll geschlossen werden die Momente gleichmäßig fifty-fifty zwischen Vorder- und Hinterachse verteilt. Außer – und das ist möglicherweise der springende Punkt – die Vorderachse ist auf einer Fahrbahn mit niedrigem Reibwert unterwegs.
Was dort an Drehmoment verpuffen würde, gelangt dann an die Hinterachse. Und ebendas könnte dem RS 3 hier im Oman für einen fahrdynamischen Auftritt durchaus in die Karten gespielt haben. Wenn auch der Straßenbelag auf den Bergstraßen keinen so schlimmen Eindruck hinterließ, möchte ich es doch erwähnt haben. Nicht, dass nachher einer über seinen nicht jede Kurve querfahrenden RS 3 meckert, mir die Schuld gibt und behauptet, mein Text sei ja eh nur gekauft. „Stimmt gar nicht“, sage ich dann und schicke den Audi-Inkasso-Kollegen vorbei.
Die Bremsen! Denkt denn keiner an die Bremsen?!
Vor der Modellpflege lautete mein Urteil noch, dass der RS 3 ein nettes Tool für die Pässeballerei sei. Gut aufgehoben in den Bergen, weniger gut auf der Rennstrecke. Dass dem so war, zeigte sich unter anderem auch bei den Bremsen und auch hier blieb Audi nicht tatenlos. Denn die serienmäßigen Stahlbremsscheiben im Wave-Design, welche sich bei entsprechender Nutzung wohl gerne mal verzogen, wurden nun eingemottet und gegen konventionelle Stahlscheiben mit 370 Millimeter Durchmesser getauscht. Wie beim Vorfacelift-Modell auch, werden die von mächtigen Achtkolbensätteln vorn umschlossen, während Stahlstifte im Alumiumtopf der Scheibe für eine bessere Wärmeabfuhr sorgen.
Optional gibt es weiterhin Bremsscheiben aus Carbon-Keramik-Verbundmaterial, die vielleicht en bisserl viel für einen kompakten sind. Audi nennt es ein Alleinstellungsmerkmal, doch Hand auf’s Herz: Eigentlich sollte solch aufwändiges Material in dieser Klasse gar nicht notwendig sein. Ob die überarbeitete Bremsanlage mit Stahlscheiben höheren Performanceansprüchen gerecht wird, lässt sich mangels Testmöglichkeit allerdings nicht sagen.
Fazit
So oder so: die Audi RS 3 Limousine hat mächtig Eindruck hinterlassen. Nicht nur, weil diese für den A3 und S3 schon so wunderschöne Karosserieform als RS-Modell erst Recht funktioniert. Die kräftige, breite Front, die breiten Radläufe und die feine Abrisskante auf dem Heckdeckel – all das ist optisch unfassbar stimmig. Auch im Fahrgefühl liefert der RS 3 genau das, was wir Petrolheads uns so lange erhofft haben. Wenn sich auch der Sound wieder ein Stück weit gewandelt hat. Der RS 3 der aktuellen Generation war der erste Audi, der endlich spucken, röcheln, und gluckern durfte und hat damit viel Emotionen erzeugt. Der neue Motor klingt insgesamt sehr viel böser, ja … räudiger. Das Krackle-Boom-Bang-Theater ist aber ruhiger und seltener geworden, was ich persönlich etwas schade finde. Vielleicht ist das aber auch auch einfach ein Spezifikum der Limousine.
Der Wurf ist also ein großer, dieses Sportmodell ist zurecht genau das: ein Sportmodell. Und dass dieser RS 3 auch beim Trackday und auf deutschen Straßen gut aufgehoben ist, werde ich noch in Erfahrung bringen, um dann hoffentlich sagen zu können: Pässe- und Tracktool. Bis dahin kann ich euch – natürlich völlig unverbindlich, neutral und ganz und gar nicht objektiv – dieses feine Stück Thrash Metal wärmstens empfehlen.
Text: sb
Fotos: sb/Audi AG
Technische Daten
Audi RS 3 Limousine 2.5 TFSI quattro S tronic
- Motor-Bauart:
- Reihen-Fünfzylinder mit Benzindirekteinspritzung, Abgasturbolader mit Ladeluftkühlung (max. 2,35 bar absoluter Ladedruck), DOHC
- Hubraum:
- 2.480 cm³
- Leistung:
- 294 kW / 400 PS bei 7.000 U/Min
- Drehmoment:
- 480 Nm bei 1.700 – 5.850 U/Min
- Höchstgeschwindigkeit:
- 280 km/h
- Beschleunigung (0-100 km/h)
- 4.1 Sekunden
- Verbrauch (innerorts / ausserorts / kombiniert):
- 11.4 L / 6.6 L / 8.4 L SuperPlus (ROZ 98)
- Grundpreis Audi RS 3 Limousine 2.5 TFSI quattro S tronic:
- 55.900 €
- Testverbrauch:
- 13.1 Liter / 100 km über 163 km
- Leergewicht:
- 1.590 kg
- Max. Zuladung:
- 415 kg
- Abmessungen (Länge/Breite/Höhe):
- 4.479 mm / 1.802 mm / 1.397 mm
Disclosure zur Transparenz
Ich wurde von Audi nach Salala, Oman eingeladen. Reisekosten, Verpflegung und Übernachtung wurden von Audi übernommen. Der Text spiegelt meine persönliche Meinung wieder.